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Einsichten und Perspektiven 4 | 17

Die Abbildung auf S.57 zeigt die 299 Wahlkreise bei

der Bundestagswahl 2017. Auf der linken Karte sind die

Wahlkreise nach der absoluten Wahlbeteiligung eingefärbt

(je dunkler, desto niedriger). Auf der rechten Seite steht

die Einfärbung für die Veränderung der Wahlbeteiligung

seit 2013. Je heller hier die Farbe ist, desto höher ist die

Wahlbeteiligung gestiegen.

Auf der linken Karte erkennt man immer noch ein alt-

bekanntes Muster. Niedrigere Beteiligungsquoten sind

meistens in den neuen Ländern zu finden.

30

Vor allem in

Mecklenburg-Vorpommern (70,9 Prozent) und in Sachsen-

Anhalt (68,1 Prozent) fiel auch diesmal die Beteiligung sehr

niedrig aus. Der Wahlkreis mit der niedrigsten Wahlbeteili-

gung liegt jedoch in Nordrhein-Westfalen: Duisburg II lag

mit 64,8 Prozent nochmal über einen Prozentpunkt unter

dem Zweitplatzierten (Wahlkreis Anhalt, Sachsen-Anhalt).

Die höchstenWahlbeteiligungsquoten weisen mit 78,1 Pro-

zent in Bayern und 78,3 Prozent in Baden-Württemberg die

südlichen Länder auf. Sieben der zehn beteiligungsstärksten

Wahlkreise liegen dort. Mit „München-Land“ und „Starn-

berg-Landsberg am Lech“ führen zwei bayerische Wahl-

kreise das Feld an und liegen mit 82,9 Prozent (Starnberg-

Landsberg am Lech) und 84,4 Prozent (München-Land)

beide deutlich über der 80-Prozent-Marke.

Im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 ergibt sich ein

recht deutliches Muster: Während die Wahlkreise in Bayern

die höchsten Zuwächse verzeichnen konnten und sich auf

der Karte deutlich absetzten, wiesen die restlichen Wahl-

kreise der „alten Länder“ meist relativ niedrige Zuwächse

auf. In allen 299 Wahlkreisen ist die Wahlbeteiligung

jedoch gestiegen. Die „neuen Länder“ liegen hier im Mit-

telfeld und verzeichnen moderate Zuwächse. Die höchsten

Zuwächse mit über elf Prozentpunkten können die bei-

den niederbayerischen Wahlkreise Deggendorf und Passau

verzeichnen. Die niedrigsten Zuwächse mit lediglich 1,2

bzw. 1,3 Prozentpunkten weisen abermals die Duisburger

Wahlkreise Duisburg I und Duisburg II auf. Zusammen

mit den beiden Bremer Wahlkreisen Bremen und Bremer-

haven sticht Duisburg somit im bundesweiten Vergleich

negativ heraus. In diesen Wahlkreisen ist die Wahlbeteili-

gung besonders niedrig und darüber hinaus auch nur wenig

gestiegen. Weshalb Wahlbeteiligung steigt oder sinkt, ist

eine komplexe Frage. Die zuletzt wieder steigende Wahlbe-

teiligung in Deutschland – und in Europa – lässt sich wohl

hauptsächlich auf eine allgemein gestiegene Polarisierung

30 Vgl. Rolf Becker: Political efficacy and voter turnout in East and West

Germany, in: German Politics 13, 2/2004, S.317–340, hier S. 317 f.

zurückführen. Wahlkämpfe in Europa waren in letzter Zeit

häufig keine Wahlkämpfe um die Mitte, sondern geprägt

durch ein antagonistisches Verhältnis von „traditionellen

Parteien“ gegen rechtspopulistische Parteien. Wählerin-

nen und Wähler konnten dadurch wieder besser erken-

nen, wo Unterschiede liegen. Das politische Klima wurde

härter, aber auch interessanter für die Bürgerinnen und

Bürger. Dass zum Beispiel gerade Duisburger Wahlkreise

besonders niedrige Wahlbeteiligung aufweisen und darü-

ber hinaus auch die niedrigste Steigerung im Vergleich zur

Wahl 2013, ist durch eine starke soziale Schieflage in der

Wahlbeteiligung zu erklären. Einige Stadtteile wie Marxloh

und Bruckhausen sind mittlerweile bundesweit als soziale

Brennpunkte bekannt. Politische Gleichheit und damit

auch die Voraussetzung für eine hohe Wahlbeteiligung ist

somit eng verbunden mit sozialer Gleichheit.

31

Eine neue Partei: Populismus im Parteiensystem?

„Wir sind gekommen um zu bleiben, weil Deutschland

uns braucht“, erklärte Frauke Petry, die damalige Bundes-

und sächsische Landes- und Fraktionsvorsitzende, in ihrer

Rede anlässlich des Bundesparteitags 2015.

Die Wahlerfolge der vergangenen Monate scheinen ihr

Recht zu geben: Nach dem knappen Scheitern der Partei

bei der Landtagswahl 2013 in Hessen und der Bundestags-

wahl 2013 – beides nur fünf Monate nach Gründung der

Partei – erlebte die AfD Aufwind. Sie zog in allen darauf-

folgenden Landtagswahlen in die Länderparlamente ein

und ist derzeit in 13 Landesparlamenten vertreten. Dabei

sind neue Parteien für das politische System Deutschland

eher die Ausnahme als die Regel. Bei der Bundestagswahl

2017 gelang ihr mit 12,6 Prozent der abgegebenen Zweit-

stimmen die Überwindung der Sperrklausel nun auch auf

nationaler Ebene. Mit diesem Erfolg liegt die neue Par-

tei im europaweiten Trend: Alleine in den Jahren 2015,

2016 und 2017 gelang 31 neuen Parteien in 23 EU-

Mitgliedstaaten der Einzug in die Nationalparlamente.

32

Grund genug sich den Wahlerfolg der AfD an dieser Stelle

genauer anzusehen, um im Anschluss die Frage zu stellen:

Können wir bei der AfD von einer institutionalisierten

Partei mit Aussicht auf langfristige Etablierung im deut-

schen Parteiensystem sprechen?

31 Stefan Haußner/Michael Kaeding/Joel Wächter: Politische Gleichheit

nicht ohne soziale Gleichheit – Die soziale Schieflage niedriger Wahlbe-

teiligung in Großstädten Nordrhein-Westfalens, in: Journal für Politische

Bildung 1/2017, S. 24-30.

32 Vgl. Zoe Lefkofridi/Kristina Weissenbach: The institutionalization of new

parties in Europe. (How) does it matter for success, New Orleans 2017, S.

1,12.

Wahlnachlese 2017