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Kampf ums Weiße Haus 2016
Das kleinere Übel? Das Werben um die politische Mitte
Neben den Stammwählern der Parteien gibt es eine große
Zahl an Wählern, die sich als parteiunabhängig
(„indepen-
dent“)
sehen. Für Präsidentschaftskandidaten bedeutet das
eine Herausforderung: Um die Vorwahlen zu gewinnen,
müssen sie die aktivsten und ideologischsten Wähler über-
zeugen, doch um tatsächlich Präsident zu werden, brau-
chen sie auch die unabhängigen Wähler. Normalerweise
bemühen sich Kandidaten nach der Nominierung darum,
ihre bis dahin kämpferischen Positionen abzumildern und
die Mitte zu erreichen. Doch 2016 ist das anders: Clin-
ton musste im Vorwahlkampf nicht allzu weit nach links
rücken, während Trump sich trotz erheblichem Druck aus
der republikanischen Partei weigert, seine aggressive Rhe-
torik substantiell abzumildern.
Wahlkämpfe werden in den USA immer mit harten
Bandagen geführt, doch 2016 ist extrem. Trump tituliert
Clinton als die „lügende Hillary“, als Mitbegründerin des
Islamischen Staats und als den „Teufel“
23
. Clinton wiede-
rum wirft Trump vor, die Positionen der extremen, rassis-
tischen Rechten salonfähig machen zu wollen.
24
Dies ist
kein Wahlkampf um konkurrierende Zukunftsvisionen,
sondern eine Schlammschlacht. Viele Wähler beschweren
sich darüber, nur die Wahl zwischen dem größeren und
dem kleineren Übel zu haben. Für die ohnehin schon stark
polarisierte Politik der USA ist das keinesfalls heilsam.
Debatten und Vizepräsidentschaftskandidaten
Die letzten Wochen des Wahlkampfes sind die wichtigs-
ten. Besonders viel Aufmerksamkeit erhalten die TV-
Debatten der Präsidentschaftskandidaten und ihrer Vizes.
Der Gegensatz zwischen Trump und Clinton könnte
größer nicht sein: Trump setzt auf Provokationen und
markige Sprüche, Clinton auf Sachthemen und politische
Details. Wichtig ist dabei, wer medial besser ankommt,
und da sollte man den Medienprofi Trump keinesfalls
unterschätzen, zumal Clinton selbst zugibt, keine beson-
ders charismatische Politikerin zu sein.
Interessant wird auch die Debatte der beiden Vizepräsi-
dentschaftskandidaten Mike Pence (Republikaner) und Tim
Kaine (Demokraten). Pence ist der Gouverneur von Indi-
ana mit gutem Verhältnis zum Establishment, zur
Tea Party
und zu den religiös Konservativen – eine für Republikaner
höchst integrative Figur. Kaine wiederum ist ein Senator aus
Virginia, ein konventioneller, aber beliebter, völlig risikolo-
23 Vgl.
http://wpo.st/Wg6x1[Stand 09.09.2016].
24 Vgl.
http://wpo.st/kg6x1[Stand 09.09.2016].
ser Partner für Clinton, der ihr zudem einen Vorteil in sei-
nem heiß umkämpften Heimatstaat verschafft. Man darf die
Bedeutung der Vizepräsidentschaftskandidaten aber nicht
überbewerten, der wahre Kampf findet an der Spitze statt.
Meinungsumfragen und ihre Grenzen
In bundesweiten Meinungsumfragen liegt Clinton meist
deutlich bis leicht vorne, Schwankungen erklären sich
auch durch besonders unbeliebte Äußerungen Trumps
25
,
die dann wieder in mediale Vergessenheit geraten. Doch
bundesweite Umfragen sind letztlich wenig aussagekräftig,
entscheidend sind die Werte in den sogenannten
„Swing
States“,
also jenen Staaten, in denen mit einem knappen
Wahlergebnis zu rechnen ist und die deshalb besonders
umkämpft sind.
26
Hier bietet sich teils ein bekanntes, teils
ungewöhnliches Bild: In Florida, Ohio und Iowa steht
es wie üblich Spitz auf Knopf, dafür scheint Virginia fast
sicher an Clinton zu gehen. In Arizona, North Carolina
und Georgia, bisher eigentlich sichere republikanische Staa-
ten, hat Clinton zumindest eine Chance. Trumps ernstzu-
nehmende Drohung, den Demokraten industriell geprägte
Staaten wie Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin abzu-
jagen, erscheint zunehmend unrealistisch. Die vielbeachtete
Wahlvorhersage des Statistikers Nate Silver gibt Clinton
derzeit (Stand Mitte September) eine fast siebzigprozentige
Chance auf den Sieg.
27
Dennoch gilt: Meinungsumfragen
sind nicht immer zuverlässig und die letzten Wochen des
Wahlkampfes können noch viel bewegen.
Es geht nicht nur ums Weiße Haus
Die Präsidentschaftswahl ist zwar nicht die einzige, aber
die meistbeobachtete Wahl im November und hat zudem
Auswirkungen über das Weiße Haus hinaus. So ernennt
der Präsident mit Bestätigung des Senats die Richter am
Supreme Court.
Diese obersten Hüter der Verfassung
haben auch in politischen Fragen oft das letzte Wort. Die
nächste Präsidentin beziehungsweise der nächste Präsident
hat die Gelegenheit, das Gericht auf Jahrzehnte zu prägen.
Eines von Trumps wichtigsten Argumenten gegenüber
skeptischen Konservativen ist, dass sie das Gericht nicht
in Clintons Hände fallen lassen können.
25 Als Beispiel seien hier seine Angriffe auf die Eltern des gefallenen Solda-
ten Humayun Khan Ende Juli genannt, die auch von vielen Republikanern
als unerträglich empfunden wurden.
26 Das System des „Electoral College“ und der „Swing States“ wird erklärt in
Hünemörder (wie Anm. 1).
27 Vgl.
http://projects.fivethirtyeight.com/2016-election-forecast/[Stand
09.09.2016].