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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 16

Was tun mit

Mein Kampf?

Solche Deutung muss nicht nur Hitlers ideologische

Ziele, seine Handlungen und seinen persönlichen Beitrag

zur Gestaltung der Ereignisse berücksichtigen, sondern

diese zugleich im Rahmen der gesellschaftlichen Kräfte

und politischen Strukturen betrachten“.

18

Eine nähere

Betrachtung zeigt also ein komplexes Zusammenwirken

vieler Faktoren, deren Zusammenschau und Gewichtung

eine große Herausforderung für das historisch-politische

Lernen darstellt. Die Krise der Weimarer Republik, die

spezifische Konstellation bei der Ernennung Hitlers zum

Reichskanzler, die Doppelstrategie aus gesetzlosen bruta-

len Aktionen und scheinlegalen Maßnahmen, die zügige

Errichtung einer gleichgeschalteten Diktatur, das Wech-

selspiel aus Verführung und Gewalt, die Stilisierung Hit-

lers zum charismatischen Führer, die ebenso moderne wie

effiziente Propaganda sowie die Attraktivität ideologischer

Deutungs- und Handlungsoptionen, wie sie sich auch in

Mein Kampf

finden – all dies sind wichtige Bausteine bei

der Erklärung des Nationalsozialismus und seiner Verbre-

chen. Insofern ist die Beschäftigung mit der Ideologie der

Nationalsozialisten und mit der zentralen und unange-

fochtenen Programmschrift

Mein Kampf

notwendig, aber

nicht hinreichend.

Aufbau des Themenhefts

Im vorliegenden Themenheft wurden zunächst die Her-

ausforderungen skizziert, die sich für die Bildungsarbeit

aktuell ergeben. Im Folgenden wird Hitlers

Mein Kampf

als historische Quelle vorgestellt, bevor zu untersuchen

ist, welche Rolle sie bislang in bayerischen Lehrplänen

und Schulbüchern gespielt hat. Dann werden verschie-

dene Aspekte näher beleuchtet und deren Bedeutung für

historisch-politische Lernprozesse erörtert. Nach einem

Überblick über Entstehung und Aufbau werden die auto-

biografischen Elemente untersucht. Da

Mein Kampf

als

„Bibel der Bewegung“ gilt, ist auch die Rolle im Rahmen

der nationalsozialistischen NS-Propaganda zu beleuchten.

Wichtig sind natürlich die Weltanschauung Hitlers sowie

die Frage, inwieweit die programmatischen Äußerun-

gen tatsächlich umgesetzt wurden. Abschließend richtet

sich der Blick auf die Rezeption von

Mein Kampf

in der

Geschichtskultur nach 1945. Zusammenfassende Thesen

beschließen das Heft. In diesem Zusammenhang werden

exemplarische Materialien präsentiert, die sich auch für

eine Verwendung in der schulischen und außerschuli-

schen Bildungsarbeit eignen, ohne dass damit umfangrei-

18 Ian Kershaw: Hitler 1889–1936, München 2002, S. 27f.

che Unterrichtsvorschläge im Sinn von konkreten Stun-

denentwürfen verbunden sind. Diese Anregungen für

das historisch-politische Lernen skizzieren methodische

Ideen, die im schulischen Unterricht oder in der außer-

schulischen Bildungsarbeit aufgegriffen werden können.

In jedem Fall ist eine Anpassung und Konkretisierung

für die jeweilige Lerngruppe notwendig. Das vorliegende

Themenheft wendet sich nämlich bewusst an ein breites

Publikum: an alle politisch Interessierten, an Lehrkräfte

aller Schularten, aber auch an Personen, die in der außer-

schulischen Bildung tätig sind, sowie an interessierte Stu-

dierende, Schülerinnen und Schüler.

Die Edition des Instituts für Zeitgeschichte bietet für

eine kritische Auseinandersetzung eine hervorragende

Grundlage, da sie nicht nur den Text der Erstausgabe,

sondern eine ebenso informative wie lesbare Kommentie-

rung präsentiert, die direkt und indirekt für die historisch-

politische Bildung genutzt werden kann. Es geht aber in

den folgenden Ausführungen nicht nur darum, wie diese

Edition verwendbar ist, sondern wie mit Hitlers Hetz-

schrift überhaupt umgegangen werden kann. Auch wenn

die eingangs beschriebenen Gefahren einer massenhaften

Verbreitung des unkommentierten Textes und eine Ver-

führung der Jugend nicht aktuell zu sein scheinen: Eine

Auseinandersetzung mit Hitlers

Mein Kampf

ist nach wie

vor nötig.

Die Landeszentrale dankt dem Institut für Zeitge-

schichte und den Herausgebern der kritischen Edition

für ihre freundliche Unterstützung.