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Schule & wir
2 | 2016
LANDESAUSSTELLUNG
‚Königlichen Kammerknechten’ in den Reichs-
städten nicht nur nicht nach, sondern profitierte
finanziell und politisch von den Pogromen der
Pestzeit.“
Die Goldene Bulle von 1356, die
nach dem verwendeten prächtigen
Siegel benannt wurde, bleibt bis
heute eine der größten Errungen-
schaften von Karl. Noch zur Zeit
seiner Krönung war nicht eindeutig
festgelegt, wer von den Fürsten im
Reich zu den „Königswählern“ zählte. Um weitere
Streitigkeiten in Zukunft zu verhindern, hinterließ
der Kaiser mit der Goldenen Bulle ein funda-
mentales Gesetzeswerk. Sie war eine Art
Reichsgrundgesetz, das für viereinhalb
Jahrhunderte den Ablauf der Königs-
wahl durch die Kurfürsten regelte.
Seit 2013 zählt sie ebenfalls zum
UNESCO-Welterbe.
(plg)
Welche Bedeutung hatte die Herrschaft Karls
IV. in ihrer Zeit?
Karl IV. konnte die weltliche Gewalt im Reich,
Kurfürsten und Städte, und die geistliche Gewalt,
Papsttum und Bischöfe, in seiner Herrschaft zu-
sammenführen. Er erneuerte so das Kaisertum
im Heiligen Römischen Reich.
Mit welchen Herausforderungen hatte er zu
kämpfen?
Die Herrschaft über das riesige Reichsgebiet
ohne Hauptstadt war nur durch persönliches Auf-
treten zu gewährleisten und erzwang dauerndes
Reisen. Naturkatastrophen und die Pestwelle von
1348/49 destabilisierten viele Regionen.
Wie würden Sie Karl IV. als Herrscherpersön-
lichkeit beschreiben?
Ein „geschmeidiger“ Herrscher, der lieber mit
der Feder als mit dem Schwert regierte und der
Widerstände mit Bestechungsgeldern überwand.
Sein größtes Verbrechen war sein Verhalten
gegenüber seinen jüdischen Untertanen, deren
Ermordung durch seine Anhänger er duldete,
teilweise sogar bewusst in Kauf nahm.
Welche bleibenden Errungenschaften sind ihm
zu verdanken?
Die Goldene Bulle von 1356, die verbindlich die
Wahl des römisch-deutschen Königs regelte und
bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs
1806 eine Art Reichs-
grundgesetz blieb. Oder
die Gründung von zehn
Universitäten, darunter
die Prager als die älteste in
Mitteleuropa.
Inwiefern unterscheidet sich die Darstellung
seiner Herrschaft aus deutscher oder tsche-
chischer Perspektive?
In der Tschechischen Republik ist er bis heute
der „Vater des Vaterlandes“ aufgrund der beson-
deren Förderung des Königreichs Böhmen, des
Ausbaus von Prag und der Gründung der Uni-
versität 1348. Die deutschen Geschichtsschrei-
ber haben seine Finanz- und Verpfändungspoli-
tik von Reichsgut sehr kritisch gesehen.
Was war die Motivation eine gemeinsame
Bayerisch-Tschechische Landesausstellung
zu organisieren?
Der Entschluss zu einer gemeinsamen Landes-
ausstellung geht auf den Besuch des tschechi-
schen Premierministers Necˇas bei Minister-
präsident Seehofer im Jahr 2013 zurück. Die
Landesausstellung ist ein Zeichen der zuneh-
menden Zusammenarbeit der bayerischen
und tschechischen Kultureinrichtungen und
ist wegweisend durch das grenzüberschrei-
tende Begleitprogramm entlang der Goldenen
Straße.
Interview
Dr. Wolfgang Jahn
hat sich als Projektleiter der Landesausstellung
am Haus der Bayerischen Geschichte intensiv mit Karl IV. befasst.
Die Goldene Bulle mit dem Bildnis des
Kaisers
Fotos: HdBG | ©spass (Shutterstock.com),