„Eltern können Interesse zeigen, warum ihr
Kind ein Wort so geschrieben hat“
Experteninterview mit Dr. Ute Spiegel, Mitglied der Lehrplankommission Deutsch
Frau Dr. Spiegel, stimmt es, dass die
Kinder in der Grundschule zunächst
so schreiben dürfen, wie sie es hören?
Die Betonung liegt auf „zunächst“. Am
Anfang lernen die Kinder die Buchsta-
ben kennen und den Lauten zuordnen.
Das ist eine Art Übersetzungsvorgang,
der noch sehr anstrengend ist. Die
Kinder sind vollkommen damit be-
schäftigt zu überlegen, welche Laute
sie bei „MAMA“ hören, wie ein „M“ und
ein „A“ nun aussieht und müssen es
dann noch auf das Papier bringen.
Wichtig ist, dass das in der Fibel oder
vom Lehrer eingebrachte Wortmaterial,
an dem das richtige Schreiben geübt
werden soll, in dieser Phase „lautge-
treu“ sein muss. Nur bei solchen
Wörtern können Kinder die erste
Grundstrategie anwenden: „Ich schreibe
jeden Buchstaben, den ich höre.“
Es ist also wichtig, dass das lautliche
Schreiben nur ein erster, vorüber-
gehender Einstieg zur Rechtschrei-
bung ist. Was erwidern Sie Eltern, die
die Sorge haben, dass sich ihr Kind
durch das lautliche Schreiben eine
falsche Rechtschreibung einprägt?
Die Gefahr besteht so lange nicht, wie
die Kinder die Wörter einzeln aus den
Lauten konstruieren. Das erkennt man
daran, dass das Kind die Laute aus den
Wörtern heraushört und dann Buch-
stabe für Buchstabe hinschreibt.
Sehr bald werden aber kleine, häufige
Wörter wie z. B. „der“ oder „und“
auswendig aufgeschrieben. Hier muss
man auf die richtige Schreibweise
hinweisen und diese auch von den
Kindern einfordern.
Wie können Eltern ihre Kinder beim
Rechtschreiben und dem raschen
Lernen der Rechtschreibregeln
unterstützen?
Indem sie Interesse zeigen, auch ein-
mal nachfragen, warum das Kind ein
Wort so geschrieben hat. Am besten
können Eltern helfen, wenn sie ihr
Kind in dem Bereich verbessern, den
es schon verstehen kann. Am Ende der
ersten Klasse kann das ein fehlender
Buchstabe sein. Am Ende der zweiten
Klasse sollte ein Kind dann Nomen
schon groß schreiben können.
Besonders wichtig ist es aber, dass die
Eltern das bereits Erreichte ausdrück-
lich loben. Auch der Lernfortschritt
sollte positiv gewürdigt werden.
Was sollten Eltern auf jeden Fall
unterlassen?
Bei Fehlern zu schimpfen. Kein Kind
macht freiwillig Fehler. Es hilft, wenn
auch die Eltern eine ordentliche Schrift
einfordern, Teilerfolge loben und den
nächsten Lernschritt zusammen mit
dem Kind optimistisch anstreben.
| ka
Dr. Ute Spiegel
arbeitet als Seminarrektorin im Landkreis
Aichach-Friedberg. Sie beschäftigt sich seit vielen
Jahren praktisch und wissenschaftlich mit dem
Rechtschreibunterricht. Diese Erfahrungen brachte
sie in den LehrplanPLUS Grundschule ein
WEITERE INFORMATIONEN: LehrplanPLUS: www.lehrplanplus.bayern.de Handschrift im digitalen Zeitalter In Schule & wir 4/2016: www.km.bayern.de/handschriftGrundschule
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