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aviso 1 | 2014
DER ZAHN DER ZEIT
Colloquium
Licht macht die Zeit
Sehen wir uns daher, vielleicht zur Beruhigung, ein wenig um
imKreis der anderen Lebewesen, mit denen wir das Leben im
Tag-und-Nacht-Rhythmus der Zeit teilen. Er ist der grund-
legende Zeitgeber für so gut wie alle Lebewesen, die nicht in
den lichtlosen, dauerkalten Tiefen der Meere, in finstersten
Höhlen oder als winzige Bakterien in der Gesteinskruste der
Erde leben. Alles Leben, das irgendwie dem Licht ausgesetzt
ist, folgt seinem Wechsel auch mit den Lebensvorgängen.
Das Licht „macht“ die Zeit; imDauerlicht gäbe es sie ebenso
wenig wie im Dauerdunkel. Einfach weil sie nicht messbar,
nicht erfassbar wäre.
Den Wechsel von
Tag und Nacht sowie den Jahreslauf
nehmen wir und alle ihm unterworfenen Lebewesen als
Gegebenheit hin. Wir »machen« das Beste daraus und tei-
len uns die Zeit ein, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Unser aktiver
Anteil daran bleibt zwar, wenn wir’s ehrlich betrachten, meis-
tens gering, mitunter fast vernachlässigbar, weil andere »Kräf-
te«, auch Umstände oder Institutionen genannt, uns ihren
Zeitplan als Vorgabe aufzwingen. Könnten wir dem Lauf der
Zeit so folgen, wie wir möchten, empfänden wir keinen Zwang.
Frei wie die Vögel könnten wir uns fühlen, schlafen, wann wir
es möchten und ähnlich unseremHund demChef sagen, dass
es gerade jetzt Zeit für den Ausgang ist. Oder für ein Ruhe-
stündchen. Eine so unmögliche Vorstellung ist das, dass wir
sie als kindlich-naiv belächeln, oder plötzlich, in einemAnfall
überschäumender Emotionen, unsere (von der durchgeplan-
ten Zeit auferlegte) Pflicht vergessen und uns eine »Auszeit«
nehmen. Die milde Form davon ist der wehmütige Blick auf
die Vögel, die da durch die Lüfte fliegen, auf den Schmetter-
ling, der wie leicht betrunken von Blüte zu Blüte taumelt oder
eben auf den Hund, dem wir sein Verlangen nach draußen
zugestehen und nachsehen zugleich. Er versteht eben nichts
vom Zwang äußerer Termine. Sein Gefühl, hinaus zu müssen,
auch wenn er gar nicht so sehr »muss«, genügt ihm. Er hat
seine Zeit und diese unterscheidet sich von unserer so sehr,
weil wir dem normalen, dem an sich vernünftigen Rhyth-
mus des Zeitlaufes nicht (mehr) folgen. Dass wir dazu neigen,
einen erheblichen Teil der Nacht zum Tag zu machen, sieht
er uns wohl deswegen nach, weil er im für uns Dunklen im-
mer noch ganz gut sieht. Und dann einfach tagsüber, wenn
nichts los ist, seinen Schlaf nachholt.
Die Sommerzeit verstört Kühe
Soweit so wenig aufschlussreich. Der Hund ist nämlich kein
sonderlich gutes Beispiel dafür, unter welchemZeitdruck Tiere
stehen können. Wie schon die Nutztiere im Stall. Wir hören
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