Table of Contents Table of Contents
Previous Page  12 / 52 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 52 Next Page
Page Background

aviso 1 | 2015

DIGITALE WELTEN

COLLOQUIUM

|12|

gibt. So entstanden im Lauf der Jahre insgesamt vier Kate-

gorien unseres Teilprojekts »Digitales Kulturerbe«, die im

Folgenden näher erläutert bzw. durch Beispiele verdeutlicht

werden:

Existierende Baudenkmäler

In enger Kooperation mit dem Berliner Architektur- und

Dokumentations-Spezialisten Fa. »illustrated architecture«

haben wir in den letzten zehn Jahren berühmte und histo-

risch bedeutende Gebäude wie z. B. Königsschlösser und

Barock-Kirchen photogrammetrisch in 1-2 cm Auflösung

außen (Beispiele Schloss Nymphenburg, Neuschwanstein,

Linderhof, Herrenchiemsee) und 1-2 mm Auflösung innen

(Thron- und Sängersaal in Neuschwanstein, Spiegelsaal inHer-

renchiemsee, Andechs, Wies etc.) räumlich (in 3D) modelliert.

DABEI KAMEN SOWOHL

im Außen- wie auch im Innen-

Bereich Laserscanner der Fa. Zoller und Fröhlich, wie sie vor-

mals an der TUMünchen für die Robotik entwickelt wurden,

zum Einsatz; zunächst auch eine ursprünglich für Marsmis-

sionen entwickelte Zeilen-Panoramakamera, inzwischen vor

allem aber hochauflösende Flächenkameras.

Damit ist schon angedeutet, dass für den Außenbereich der

Baudenkmäler die für Landschaften und Städte eingesetzte

Flugzeug-Kamera-Befliegung nicht ausreicht, inzwischen

setzen wir daher immer stärker auch auf die Multicopter-

(Drohnen-)Befliegung. Aus deren (Mono-)Bildern lassen sich

die relativen Aufnahmepositionen (»Pseudo-Stereoansich-

ten«) errechnen, aus denen dann über SGM die 3D-Modelle

entstehen.

DIE NUTZUNG DER

Laserscan-Technologie, die von jedem

Standort aus räumliche Punktwolken generiert und von Farb-

kameras, die dann in welcher Form auch immer die Textur-

information beitragen, war von Anfang an (um 2003) der

favorisierte Ansatz für die Innenräume. Brauchte der Laser-

scanner vor etwa zehn Jahren noch 30 Minuten für einen

Rundumscan, bis er dann an der nächsten Positionmit einem

weiteren Scan beginnen konnte und die erwähnte Zeilen-

Panoramakamera ca. zwei Stunden für den Rundumblick an

einer Stelle, so hat der Scanner bei sieben Minuten Scanzeit

jetzt selbst schon eine kleine Farbkamera für die grobe Einfär-

bung der Punktwolken. Und für die hochqualitativen Bilder

braucht dann z. B. eine extrem lichtempfindliche und hochdy-

namische sCMOS-Kamera des Kelheimer Kameraspezialisten

Fa. PCO gerade noch 3-4Minuten. Die algorithmische »Kunst«

besteht dann darin, die etwas gröberen Laserpunktwolken

(1-2 mm) mit den aus den Kamerafeinbildern (0.1 bis 2 mm)

rechenbaren Punktwolken zueinander zu kalibrieren (orien-

tieren) und dann zu verschmelzen. Wir sprechen daher auch

vom multiskaligen MuSe-(MultiSensor-)Konzept, bei dem

unterschiedliche Sensortypen mit modernen Methoden der

Fotogrammetrie zusammengeführt werden. Dabei stellen die

räumlichen Punktwolken für den Laserscanner wie für das

Kamerasystem die gemeinsame Basis dar.

Mit Unterstützung aus demDLR-Institut wurde die automa-

tische Punktwolkenvermaschung, die Punktwolkenorientie-

rung, das sog. Löcherschließen und die Texturaufbringung mit

Farbausgleich in den letzten Jahren weitgehend automatisiert.

IN EINEM DER

bisher spektakulärsten Projekte, der von der

bayrischen Forschungsstiftung als Verbundprojekt geförderten,

hochgenauen 3D-(Innenraum-)Modellierung des Markgräf-

lichen Opernhauses in Bayreuth – einem Welterbe-Objekt –

wurde die Methodik zur Reife gebracht, es ist für uns daher

das MuSe-Projekt Bayreuth. Die speziell aufgebaute MuSe-

Kamera mit sCMOS-Technologie kannmit der Hand geführt

und um ein LED-Flash ergänzt werden. Die Aufnahmen

erfolgen mit 10 bis 30 Vollbildern pro Sekunde, so dass die

aufzunehmenden Objekte gleichsam abgefilmt werden.

Für jedes Kamerabild wird auf Basis einer Vielzahl von Nach-

barnmit dem SGM-Algorithmus ein perspektivisches Tiefen-

bild berechnet. Die einzelnen Tiefenbilder (Punktwolken) wer-

den vermascht, die »Teilmeshes« untereinander bzw. mit den

Teilmeshes des Laserscanners fusioniert und dann texturiert.

DIE FERTIGENDATEN

werden dann z. B. in eine »Gamingengine«

wie die Echtzeitvisualisierungssoftware Unity übertragen und

können dort animiert werden. Grafik-Spezialisten korrigieren

Modellierungsfehler und Artefakte und realisieren Beleuch-

tungsmodelle. Schwierige Oberflächen wie Vergoldungen,

Tapeten und Stoffe stellen allerdings höchste Ansprüche an

die 3D-Modellierung.

Quasi als Test für die Anwendbarkeit der Technik auf größere

Objekte (statt Innenräume) wurde der sog. Puttenschlitten

Ludwigs II. im Münchner Marstallmuseum, das weltweit

erste beleuchtete Fahrzeug, in 3D modelliert. Wegen seiner

vielen glänzenden Flächen stellte er eine Herausforderung für

die skizzierten Algorithmen und den sog. Farbausgleich dar.

Nie realisierte Projekte

Es gibt in Bayern etliche Baupläne und technische Projekte,

wie sie vor allem von König Ludwig II. geplant waren. Dies

sind z. B. Planungen für eine Wagner-Oper am Isarhochufer,

nicht realisierte Pläne in Schloss Neuschwanstein, Schloss Fal-

kenstein, chinesisches und byzantinisches Schloss, Chiemsee-

Barke, frühe Luftschiff-Entwürfe, Seilbahn über den Alpsee.

Seine Wünsche nach Flugmaschinen und speziell nach der

von einem Ballon entlasteten Seilbahn über den Alpsee, ob-

wohl visionär, galten damals als Hirngespinste und trugen zu

seiner Entmündigung bei.

Zerstörte Architekturen und Objekte

Dazu gehören etwa der Wintergarten auf der Münche-

ner Residenz, das Brunnenhaus in Bad Kissingen oder der

»Bucentaur«, das Prachtschiff der bayerischen Herzöge auf

dem Starnberger See. Hier dienen erste Schwarzweiß-Fotos,

Stiche und ggf. Aquarelle als Haupt-Quelle.