aviso 1 | 2015
DIGITALE WELTEN
COLLOQUIUM
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Regelmäßigkeit, Glaubwürdigkeit, thematische
Breite, Aktualität und Sachlichkeit werden am häu-
figsten Presse-Websites zugeschrieben. Danach fol-
gen die Wikipedia und die Websites des Rundfunks.
Portale und vor allem soziale Medien waren deut-
lich abgeschlagen. Was hier überrascht, ist die hohe
Wertschätzung, die die Wikipedia genießt, denn
zur Online-Enzyklopädie kann bekanntlich jeder
ungehindert Wissen beisteuern – oder das, was
er dafür hält. Bei den Kriterien Quellennennung,
Unabhängigkeit und Eigenrecherche übertrifft
die Wikipedia sogar die Presse- und Rundfunk-
Websites.
Differenzierter fällt das Ergebnis bei den Nutzer-
motiven aus: Presse und Rundfunk werden auch
im Internet in ihrer traditionellen Rolle als Schleu-
senwärter und Agendasetter wahrgenommen. Von
ihnen wird nach wie vor erwartet, dass sie einen
Überblick über das aktuelle Geschehen geben und
über die wichtigen Themen des Tages informieren.
Für die aktive Informationssuche und die zufäl-
lige Informationsaufnahme bevorzugen die Nutzer
dagegen andere Angebote wie Portale, Nachrich-
tensuchmaschinen und die Wikipedia. Soziale
Medien besitzen Stärken bei Diskussionen und der
Beziehungspflege. Insgesamt kann man hier also
eine Arbeitsteilung zwischen dem Journalismus
und anderen Angeboten beobachten.
DIE ZENTRALE URSACHE
für die Krise des
professionellen Journalismus liegt, so legen auch
andere Studien nahe, nicht in der Konkurrenz zu
bloggenden und twitternden Amateuren – selbst
wenn einige von ihnen Respektables leisten. Das
Publikum erkennt hier immer noch deutliche
Qualitätsunterschiede. Für die Krise dürften viel-
mehr die professionellen Anbieter selbst verantwort-
lich sein: Überfülle, Allgegenwart, kostenlose Ver-
Kurzschluss zwischen Quellen und Publikum hat
die Sorge aufkommen lassen, dass der Journalis-
mus als Vermittler gar nicht mehr notwendig ist.
MITTLERWEILE WIRD HIER
Entwarnung gegeben:
Es ist paradoxerweise die Kehrseite der Partizipa-
tion selbst, die dem Journalismus das Überleben
sichert. Die Folgeprobleme schaffen neue Aufgaben
für ihn: Wenn viele schreiben, resultiert daraus
zum einen eine Überfülle an Informationen. Zur
Überforderung der User trägt zum anderen bei, dass
es vielen Informationen im Internet an Qualität
mangelt oder diese zumindest intransparent ist.
Im Unterschied zu Presse und Rundfunk kann
im Internet nicht davon ausgegangen werden,
dass jede Information vor dem Erscheinen
redaktionell geprüft worden ist. »Informations-
flut« und »Informationsmüll« sprechen also da-
gegen, dass sich das Publikum vom Journalismus
abwendet, denn es braucht weiterhin Leuchttürme,
die ihm Orientierung geben, die Informationen
auswählen und prüfen. Journalistische Informa-
tionen zählen zu den Vertrauensgütern, derenWert
selbst nach demKonsum nur schwer einschätzbar
ist. Deshalb ist Vertrauen im Journalismus von so
großer Bedeutung. Und dies erklärt auch, weshalb
vor allem die aus der altenMedienwelt bekannten
Marken wie tagesschau, Spiegel, Focus, FAZ, SZ,
Welt und Bild auch im Internet hohe Reichweiten
erzielen.
Allgegenwart und Austauschbarkeit
von Nachrichten
Diesen Zusammenhang bestätigt auch – mit einer
Ausnahme – eine Studie, in der 1 000 Nutzer über
die journalistische Identität und Qualität von Inter-
netangeboten befragt wurden (Neuberger 2012).
Typisch journalistische Qualitätsmerkmale wie