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Der
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Der Gedanke ist zwei Wörter lang. Er ist immer
schon da, bevor mich mein Verstand zur Vernunft
ruft. Er ist zäh wie Leder und flink wie Windhunde.
Der Gedanke geht so: »Kein Wunder.«
Kein Wunder, dass der Hedgefonds-Manager,
von dem ich in der Zeitung lese, mit Nachnamen
»Cohen« heißt.
Kein Wunder, dass die Araber Demokratie nicht
gebacken kriegen.
Kein Wunder, dass die Afrikaner wirtschaftlich
nicht auf die Beine kommen.
Es ist Nachmittag. Ich spaziere an einer Baustelle
vorbei. Ein Mann steht in einer Grube und hebt
Kies aus, drei Kollegen schauen ihm zu. Ich denke
nicht: »Das muss ganz schön anstrengend sein
da drunten.« Ich denke nicht: »In der Kälte!« Ich
denke: »Woher die wohl kommen?«
Ich laufe die Isartalstraße entlang. Ich sehe eine
komplett in schwarzes Tuch gehüllte Frau mit vier
Kindern auf der Straße. Ihr Mann geht drei Meter
vorneweg. Ich frage mich, ob er seine Frau wohl
schlägt. Ob die ihre Söhne zuMachos erzieht. Und
ob sie wohl freiwillig so rumläuft.
Ich sitze im Wirtshaus, bestelle ein Bier. »Mäch
tän Sie Hälläs oder Weißbier?«, fragt die Kellnerin
mit osteuropäischem Akzent. Ich denke: »Habt’s
denn ihr keine bayerischen Bedienungen?« Der
Niederbayer in mir sähe es offenbar gern, wenn
das Reinheitsgebot auch auf Kellnerinnen ausge
weitet würde.
Ich bin erstaunt über das, was ich da denke. Es
ist, als beleidige es mich selbst. Es zerkratzt mein
Bild von mir, dem geerdeten, liberalen Urbanler:
Das kann doch nicht wahr sein. Das kann doch
nicht ich sein.
Moment. Es ist Zeit für eine Erklärung. Also: Ich habe Anti-
Pegida-Demos besucht. Ich bin sogar Teil der »Lügenpres
se«. Ich habe Freundinnen und Freunde mit Migrationshin
tergrund. Ich habe keine Angst vor »Überfremdung«. Bitte,
allein schon die Tatsache, dass das Wort »Überfremdung« in
diesem Text hier in Gänsefüßchen steht, beweist doch, wie
fremd sie mir ist.
Ich habe sogar mal ein paar Monate lang in Afrika gewohnt!
Ich weiß, dass anspruchsvolle und körperlich fordernde
Arbeit hierzulande vielfach von Menschen mit Migrations
hintergrund geleistet wird. Ich weiß, dass die Umstürze auf
der arabischen Halbinsel auf einer Selbstermächtigung der
Bevölkerung beruhen, auf dem demokratischenWunsch, ihr
Leben selber in die Hand zu nehmen. Ich weiß, dass Afrika
noch immer unter seiner kolonialen Vergangenheit leidet, und
dass Hedgefonds-Manager auch Namen tragen wie »Chris
tian Zügel« oder »Karsten Schröder«.
Deshalb frage ich mich: Woher kommt dieser Kein-Wunder-
Reflex? Was sind das für Ablagerungen, die sich auf dem
Untergrund meines Bewusstseins festgesetzt haben? Und
warum bleiben die dort nicht, sondern werden hochgespült,
und wodurch? Vor allem aber frage ich mich: Bin ich eigent
lich der einzige, dem es so geht?
Ich frage mal meine Freunde. Am besten die aus Berlin. Prenz
lauer Berg, Kreuzberg, Neukölln, die Ecke. Alternative Aka
demiker mit Mittelstandshintergrund, die für wenig Geld
und viel Sinnerfüllung an der Verbesserung der Welt arbei
ten, in Integrationsprojekten, Austauschprojekten, Ener
giewendeprojekten und Großen Transformationsprojekten.
Menschen, die wissen, warum Entwicklungshilfe Entwick
lungszusammenarbeit heißen muss und warum Flüge auch
dann bäh sind, wenn man im Gegenzug Geld fürs Pflanzen
neuer Bäume spendet. Ich schreibe ihnen:
»Liebe Leute,
zusammen mit ein paar Münchner Autoren nehme ich an
einer Lesung teil, die sich aus ganz persönlicher Sicht mit
Pegida beschäftigt: Was löst das in uns aus? Ich habe mich
Text:
Andreas Unger
aviso 2 | 2016
FREMDE, IN DER FREMDE
COLLOQUIUM