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aviso 2 | 2016

FREMDE IN DER FREMDE

COLLOQUIUM

Sabine Rinberger

ist seit 2004 Leiterin des

Valentin-Karlstadt-Musäums, das sich nicht nur

dem großen und unvergessenen Humoristen

Karl Valentin und seiner Partnerin Liesl Karlstadt

widmet, sondern auch der Münchner Volkssänger-

kultur im Allgemeinen.

Dieser Artikel: © Valentin-Karlstadt-Musäum

sich gleichzeitig bekannt und doch fremd zu sein.

Ebenfalls in einer Szene im Film

»Karl Valentin

und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese«

betrach­

ten sich Liesl Karlstadt und Karl Valentin in einem

Zerrspiegel. Ihr Spiegelbild, durch den Zerrspiegel

verfremdet, ist ihnen dann freilich selbst fremd. Sie

werden also selbst zur Attraktion und amüsieren

sich darüber ebenso wie über den Flohzirkus und

falsche Indianer.

Wie man sich aber imZweifelsfall selbst entdecken

kann, wird im

»Sprachforscher«

auf mehr als dop­

pelbödige Art demonstriert. An die Grenzen der

eigenen Sprache stoßend, erklärt Liesl Karlstadt als

Frl. D. die Mehrdeutigkeit des Wortes »entdecken«:

»Oder – Ich habe etwas entdeckt. – Wenn ich mich

aufs Sofa lege, decke ich mich mit einer Decke zu;

nehme ich die Decke wieder weg, so habe ich mich

selbst entdeckt.«

Bei Valentin wird Fremdes vertraut und Vertrau­

tes fremd. Jemand/etwas ist erst dann nicht mehr

fremd, wennman ihn/es nicht mehr als fremd emp­

findet, ein Idealzustand, dessen Flüchtigkeit Karl

Valentin deutlich macht. Nur selten und meist nur

kurz wird er erreicht. Plötzlich und unerwartet tritt

ein verwirrendes Element ein, das das Gefühl der

Vertrautheit oder Fremdheit zumKippen bringt. So

gewinnt manmit Karl Valentin nur eine Erkenntnis

sicher:

»man muss nur unter die Menschen gehen,

um Fremde unter Fremden zu treffen.«