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aviso 3 | 2016
ANTHROPOZÄN - DAS ZEITALTER DER MENSCHEN
COLLOQUIUM
Der Müll der Menschheit
Atomare Abfälle im Anthropozän
Text:
Jens Kersten
DAS ANTHROPOZÄN IST
das Zeitalter, in dem der Mensch
zu einer geologischen Kraft geworden ist. Diese Entwicklung
hat mit der Industrialisierung begonnen. Seit demEnde des
Zweiten Weltkriegs hat sie sich rasant beschleunigt. Wach-
sende Urbanisierung und Energiekonsum spiegeln sich in
Umweltzerstörung, Ressourcenverschwendung und Arten-
sterben. Vor allem die Entwicklung des Weltklimas ist zum
Signum des Anthropozän geworden: Die Welt heizt sich im-
mer stärker und immer schneller auf. Sie verwandelt sich in
ein globales Treibhaus. Dies verändert unser Raum- und Zeit-
verständnis: Globale Klaustrophobie geht im Anthropozän
mit einem sich schließenden Zeitfenster einher, in dem wir
die Entwicklung zwar nicht mehr aufhalten, aber vielleicht
noch abmildern können. Zugleich versagen die Kategorien,
an denen wir bisher unser »verantwortungsvolles« Handeln
ausgerichtet haben: Kann man wirklich noch etwas Nach-
haltiges über die globale Zerstörung von Ökosystemen und
Biodiversität sagen? Lässt sich die bereits laufende Klima-
katastrophe noch mit dem Konzept der (Welt-)Risikogesell-
schaft begreifen? ImAnthropozän geht es längst nicht mehr
umNachhaltigkeit, sondern umWiderstandsfähigkeit (Resi
lienz) von Öko- und Sozialsystemen, längst nicht mehr um
potenzielle Risiken, sondern um aktuelle Gefahren für die
globale Natur und die Weltgesellschaft.
Je mehr sich die ökologische und soziale Lage im Anthropo-
zän zuspitzt, desto radikalere Lösungen werden angedacht.
Das Anthropozän ist auch das Zeitalter der geologischen
Globalprojekte: Eigentlich müssten wir »nur« unseren Ener
gieverbrauch reduzieren und auf postfossile Energiequel-
len umstellen. Doch wir wollen unser Leben nicht ändern.
Deshalb denken wir lieber über CO2-Sinks, Ozeandün-
gung oder Weltsonnenschirme nach. Mit diesen Phanta-
sien eines globalen Geoengineerings will sich die anthropo-
zäne Menschheit aber letztlich nur selbst beruhigen: Noch
sollen technische Handlungsoptionen als Alternative zur un-
geliebten postfossilen Energiewende zur Verfügung stehen.
Für CO2-Sinks ist es jedoch beispielsweise schon jetzt viel
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