in Bayern gehörte. Noch in der Nacht vom 9. auf
den 10. März 1933 wurde er verhaftet, imMünch-
ner Polizeigefängnis inhaftiert und ohne richter-
liches Urteil in Schutzhaft gehalten. Im Zuge des
Röhm-Putsches wurde Gerlich nach Dachau ge-
bracht, wo er in der Nacht vom 30. Juni auf den
1. Juli 1934 ermordet wurde.
Gerlich war der erste und einzige Bedienstete der
bayerischen Archivverwaltung, der Opfer der ers-
ten internen Säuberungsmaßnahme wurde. Das
aufgrund des Gesetzes über die Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums im August 1933 gegen ihn
eingeleitete Dienstenthebungsverfahren führte
bereits am 1. September desselben Jahres zu sei-
ner Entlassung aus dem bayerischen Staatsdienst.
Dieses Gesetz hatte – vereinfacht ausgedrückt –
den Zweck, Staatsbedienstete, die den marxisti-
schen Parteien oder der jüdischen Religionsge-
meinschaft angehörten, aus dem aktiven Dienst
zu entfernen. Die generalklauselartigen Bestim-
mungen ermöglichten es aber, praktisch jeden
missliebigen Stelleninhaber in den Ruhestand zu
versetzen. Dass in der bayerischen Archivverwal-
tung nur Gerlich als Betroffener identifiziert wurde,
lässt den Schluss zu, dass im Archivdienst keine
jüdischen Mitarbeiter beschäftigt waren. Wie
Generaldirektor Riedner gegenüber dem Minis-
terium betonte, zeigte die Fragebogenaktion fer-
ner, »dass kein Beamter, Anwärter, Angestellter
oder Arbeiter der staatlichen Archivverwaltung
irgendwelche, auch nur lose Beziehungen zur
Sozialdemokratischen oder Kommunistischen
Partei, ihren Hilfs- und Ersatzorganisationen und
ihren Vertretern im Ausland unterhält.«
links und oben
Meldung Dr. Fritz Gerlichs als Betroffener nach dem Gesetz über die
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Erhebungsbogen vom 4. August 1933
(BayHStA, MK 15683).
Personalpolitische Eingriffe
Der Artikel im »Stürmer« und der Fall Gerlich hatten deutlich gemacht,
dass den Nationalsozialisten ein Umbau der bayerischen Archivver-
waltung amHerzen lag. Oberstes Ziel musste es daher sein, eigene An-
hänger auf verantwortliche Positionen zu setzen, um so die fachliche
Ausrichtung, aber auch die personelle Entwicklung unter Kontrolle zu
bringen. Aus den Akten des Kultusministeriums wird evident, dass
für diese Rolle in erster Linie der Oberarchivrat Franz Josef Knöpfler
ausersehen war, der nach der Machtergreifung in kurzer Folge zum
Staatsarchivdirektor und 1936 zum Direktor der Staatlichen Archive,
das heißt zum zweiten Mann hinter Generaldirektor Riedner, befördert
wurde. Der von Karriere- und Geltungssucht getriebene Knöpfler war
vor 1933 als Sympathisant der DNVP in Erscheinung getreten, aber
bereits am 1. Mai 1933 in die NSDAP eingetreten. In der Archivver-
waltung übernahm er für die Partei rasch wichtige Vertrauenspositi-
onen, so etwa die personalpolitisch wichtige Funktion des politischen
Leiters des Amtes für Beamte bei den staatlichen Archiven. Nach dem
unerwarteten Tod Otto Riedners am 7. November 1937 stand Knöpfler
alleine an der Spitze der bayerischen Archivverwaltung, auch wenn er
die Geschäfte des Generaldirektors bis zum 1. Februar 1943 lediglich
kommissarisch ausübte.
Dass Knöpfler die Beförderung zum Generaldirektor mehr als fünf
Jahre lang versagt blieb, empfand er selbst als ständigen Stachel im
Fleisch. Wichtigster Grund dafür war die geplante Verreichlichung
des Archivwesens und damit der Wegfalls der Generaldirektorenstelle.
Allerdings hatte Knöpfler seit 1938 auch mit Zweifeln an seiner politi-
schen Zuverlässigkeit und seit Beginn des Luftkriegs auch mit solchen
an seiner fachlichen Eignung zu kämpfen. Zur Belastung wurde vor
allem der unproduktive Konflikt um die Archivalienauslagerungen,
den Knöpfler mit dem Leiter der im selben Dienstgebäude unterge-
brachten Bayerischen Staatsbibliothek, dem Parteimitglied Nr. 4 Ru-
dolf Buttmann, ausfocht. Weder die Verankerung in der Partei noch
die 1938 begonnene Karriere in der SS bewahrten Knöpfler letztlich
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