|40|
Archivbediensteten nur schwer entziehen. Die Erfolge des
Systems, Karrierechancen, aber auch äußerer Druck führ-
ten vielfach zur Anpassung oder sogar zur Umorientierung.
Äußerlich ist dies daran zu erkennen, dass im Laufe der
NS-Zeit ein wachsender Prozentsatz der Archivbedienste-
ten bereit war, in die Partei oder in die der NSDAP ange-
schlossenen Verbände einzutreten. Letztlich waren so fast
alle Archivare zumindest im Reichsbund der Deutschen
Beamten, dem Reichslehrerbund oder dem Rechtswahrer
bund, ggf. auch in mehreren dieser Verbände organisiert.
Nicht ungewöhnlich war daneben auch die Mitgliedschaft
im NS-Kraftfahrerkorps, in der Nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt oder imReichskolonialbund. Den Eintritt in
oben
Brand im Nordwestflügel des Archiv- und Bibliotheksgebäude in der Nacht vom 9. auf den 10. März 1943, Fotoaufnahme von Franz Reutter,
Bayerische Staatsbibliothek.
die NSDAP vollzogen hingegen bei weitem nicht alle Archi
vare und wenn, erst relativ spät – dies allerdings auch wegen
der bestehenden Aufnahmesperren.
Die Bereitschaft, den Erwartungen der neuen Machthaber
gerecht zu werden, wenn nicht sogar zuvorzukommen, zeigte
sich auch in der täglichen Arbeit. So wurde die NS-Rasse-
politik, die zu einem spürbaren Anstieg der Benützerzah-
len führte, auch von den staatlichen Archivaren als Chance
verstanden, die eigene Relevanz zu untermauern. Dies
dokumentierte sich nicht nur in der Einrichtung familien-
geschichtlicher Beratungsstellen, sondern auch in selbst-
bewusst vorgetragenen Äußerungen wie der Franz Josef
aviso 1 | 2017
NISCHEN IM FOKUS
:
WERKSTATT