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aviso 1 | 2017
NISCHEN IM FOKUS
:
RESULTATE
ten weitere Höhepunkte des Projektes. Das Team
aus Restauratoren und Kunsthistorikern reiste
gemeinsam Ende August 2016 in den Sinai, um
ausgewählte Werke vor Ort zu untersuchen: Die
möglicherweise noch aus dem 8. Jahrhundert stam-
mende Kreuzigungsdarstellung (Abb. 6; Abb. 7)
gilt als die älteste bekannte Verbildlichung des
toten Christus am Kreuz und als Ausdruck der
Betonung der menschlichen Natur Christi. Die
Malerei wurde noch nie technisch untersucht. Wie
sich unter dem Mikroskop zeigte, wurde direkt
auf den Holzträger gemalt, dessen Farbe auch in
die Gestaltung des Inkarnats einbezogen wurde,
indem man bestimmte Bereiche im Gesicht aus-
sparte. Männer- und Fraueninkarnate wurden
hier nicht grundsätzlich unterschieden. Bei dem
Marienbild auf dem Monte Mario, die als Werk
des Heiligen Lukas verehrt wird, bot sich ikono-
grafisch der Vergleich mit der nachweislich aus
Byzanz stammenden Lukasikone im Diözesan
museum Freising an, deren Untersuchung noch
zusätzlich in das Projekt integriert werden konnte.
BeidebislanghöchstunterschiedlichdatiertenWerke
weisen, wenn man die erste, nur im Röntgenbild
sichtbare Fassung des Freisinger Marienbildes be-
trachtet, erstaunliche physiognomische Ähnlichkei-
ten auf, die auf eine gleiche Provenienz der Bilder
oder ihrer Vorlagen hindeuten können.
DIE ZUSAMMENARBEIT
mit dem Opificio delle
Pietre Dure (OPD) in Florenz ermöglichte es,
wichtige Beispiele von Tafelgemälden des 12. und
13. Jahrhunderts wie Marienbilder und Tafelkreuze
in der Toskana zu untersuchen und daraus weitere
Schlüsse für Kontinuitäten und Brüche vonMaltra-
ditionen im Hochmittelalter sowie die Austausch-
prozesse zwischen Ost und West zu ziehen, wie
sie sich in der Darstellung des Inkarnats spiegeln.
Neue Begriffsbestimmungen
Der auch heute noch allgemein für Wachsmalerei
verwendete Begriff der Enkaustik ist in der Antike
ausschließlich für einen künstlerischen Herstel-
lungsprozess verwendet worden, bei dem Wär-
me zumEinsatz kam. Wie durch Quellenanalysen
ermittelt werden konnte, wurde er in früh- und
mittelbyzantinischer Zeit dann ausschließlich auf
metallverarbeitende und -veredelnde Techniken
bezogen. Hinsichtlich der Tafelmalerei ist ledig-
lich von Wachsfarben die Rede, wobei offenbar
nur Werke von besonderer Bedeutung wie religiöse
Bilder oder Porträts hochgestellter Persönlichkei-
ten damit ausgeführt wurden. Bei der Marienikone
auf dem Monte Mario, in deren Malschicht 1960
Wachs festgestellt wurde, ließ sich nun eine Ma-
lerei erkennen, die in jedem Fall nicht mit Hilfe