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Dr. Bernhard Grau

ist Leitender Archivdirektor in

der Generaldirektion der Staatlichen Archive

Bayerns und Stellvertreter der Generaldirektorin

Dr. Margit Ksoll-Marcon.

KOLLOQUIUM ZUR ROLLE DER STAATLICHEN

ARCHIVE IN DER NS-ZEIT

Vom 26.-28. Oktober 2016 veranstaltete die Generaldirektion der Staatlichen

Archive ein Kolloquium zur Rolle der Staatlichen Archive Bayerns in der NS-Zeit.

In 19 Fachvorträgen gingen die Referenten der bislang kaum untersuchten Fra-

ge nach, wie die Ideologie des NS-Staats die Arbeit der Archive beeinflusste.

Flankiert wurde die Veranstaltung durch zwei öffentliche Abendvorträge, in

denen Professor Dr. Ferdinand Kramer den Umgang des Freistaats Bayern mit

seiner NS-Vergangenheit und Professor Dr. Magnus Brechtgen die Rolle der

Geschichtswissenschaft im Verhältnis zum Nationalsozialismus reflektierten.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch einen Gedenkakt für den von den Natio-

nalsozialisten ermordeten Staatsarchivrat I. Klasse Dr. Fritz Gerlich. Staatsminister

Dr. Ludwig Spaenle enthüllte persönlich die Gedenktafel, die im Bayerischen

Hauptstaatsarchiv das Wirken des unerschrockenen NS-Gegners in Erinnerung

halten soll. Er betonte bei dieser Gelegenheit, dass die vertiefte Beschäftigung

mit dem Unrechtsregime der Nationalsozialisten es ermögliche, Lehren für eine

wehrhafte Demokratie und entsprechendes Handeln zu ziehen.

links

Enthüllung der Gedenk-

tafel für Dr. Fritz Gerlich

durch Staatsminister

Dr. Ludwig Spaenle und

Dr. Margit Ksoll-Marcon.

Knöpflers, es gebe keine Rassepolitik

und auch keine Erbbiologie ohne Ar-

chive, ohne Archivare. Vorauseilenden

Gehorsam zeigte man auch durch die

Zusammenführung und Erschließung

der sog. »Judenakten«. Gar zu gerne

waren die Archivare auch bereit, an der

Entziehung des Vermögens der rassisch,

religiös und politisch Verfolgten mitzu-

wirken, wenn man dadurch die eigenen

Bestände in sinnvoller Weise ergänzen

konnte. Im Zweiten Weltkrieg stellte

die Archivverwaltung ihre Funktions-

fähigkeit hingegen dadurch unter Be-

weis, dass sie das Archivgut aus den vom

Luftkrieg besonders bedrohten Groß-

städten in Bergungslager auf demLande

verbrachte. Trotz widrigster äußerer

Bedingungen wurden die politisch er-

wünschten Bergungsmaßnahmen zum

Teil bis in das Frühjahr 1945 fortgesetzt.

Bilanz

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs

blickten auch die bayerischen Archi-

vare betroffen auf die Trümmerland-

schaft, die ihnen das NS-Regime hinter-

lassen hatte. Vor allem im Staatsarchiv

Würzburg und im Bayerischen Haupt-

staatsarchiv war wertvolles Archivgut

durch die Bombardierungen unwieder-

bringlich verloren gegangen. In Würz-

burg und Nürnberg waren die Archivge-

bäude im Luftkrieg massiv beschädigt

worden. Das Bayerische Hauptstaats-

archiv hatte durch den Auszug aus dem

Archiv- und Bibliotheksgebäude in der

Ludwigstraße seinen Stammsitz sogar

ganz verloren. Darüber hinaus war das

Archivgut der besonders gefährdeten

Staatsarchive auf Bergungslager in ganz

Bayern verteilt, so dass von einem regu

­

lären Dienstbetrieb nicht gesprochen

werden konnte.

Auch der Personalkörper stellte sich un-

mittelbar nach Kriegsende nur noch als

Torso dar. Einige Kollegen waren in den

Kriegsjahren verstorben, im Krieg ge-

fallen oder hatten die Altersgrenze er-

reicht, ohne dass die durch Ruhestands-

versetzungen frei werdenden Stellen

adäquat hätten nachbesetzt werden

können. Ein Übriges tat zunächst die

Entnazifizierung. Als die amerikani-

sche Militärregierung die Staatsbediens-

teten unter demokratischem Vorzeichen überprüf-

te, wurden zunächst nur 33 Angehörige der baye­

rischen Archivverwaltung, also etwa ein Drittel

der bei Kriegsausbruch verwendeten Beschäftig-

ten, für die weitere Verwendung genehmigt. Dies

war allerdings kein bleibender Effekt. In den fol-

genden Jahren erreichten die meisten Archivare

mit Abschluss ihrer Spruchkammerverfahren

die Wiederanstellung. Dennoch ist ein Umbruch

erkennbar, da insbesondere die wenigen stärker

belasteten Berufskollegen infolge von Tod oder

Pensionierung nicht mehr an ihren Arbeitsplatz

zurückkehrten. Nur in einem besonders heiklen

Fall drohte die Rückkehr ins Amt. Sie konnte aber

durch Zubilligung einer vorzeitigen Altersversor-

gung abgewendet werden.

Fotograf: Franz Reutter – (Quelle: Bayerische Staatsbibliothek, Bibliotheks-

dokumentation, Dok.I.A. Außenansichten/Nordwestflügel, Bild-Nr. 021740)

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