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Einsichten und Perspektiven 4 | 17

So demonstrierte die Partei nicht nur Sichtbarkeit und

Verankerung im Kontext der Pegida-Demonstrationen auf

den Straßen, sondern es gelang ihr in den klassischen und

‚neuen’ Medien(formaten) a.) Präsenz zu zeigen und vor

dem Hintergrund der Flüchtlingssituation b.) das Wahl-

kampfthema Einwanderung und Asyl zu setzen. Beson-

dere Bedeutung kam dabei dem Online-Wahlkampf zu.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Während die Mitglieder-

zahl der AfD bei vergleichsweise geringen 27.000 (Stand

Februar 2017) liegt (vgl. Abbildung S. 55),

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so zählt

die Partei auf Facebook 317.171 „Gefällt mir“-Angaben

[Stand: 15.03.2017] und 304.828 Seitenabonnentinnen

und -abonnenten der Facebook-Seite der Bundespartei

[Stand: 15.03.2017] – was verglichen mit den Seiten von

CDU und SPD beinahe dreimal so hoch ist.

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Die Wahrnehmungsseite der Institutionalisierung

der neuen Partei wurde durch diese Wahlkampflogiken

gestärkt. Ob der Institutionalisierungsprozess der AfD

auch in den bisher schwach ausgeprägten Dimensionen

wie der Organisation und Routinisierung innerparteili-

cher Entscheidungsprozesse, der innerparteilichen Kom-

munikation oder der Kohärenz der Partei voranschreitet,

wird sich in ihrer nun anstehenden Oppositionsrolle im

56 Zum Vergleich: Die Mitgliederzahl der Partei Die Linke lag in ihrem vier-

ten Jahr nach der Gründung (allerdings als Fusion und nicht als komplett

neugegründete Partei) bei 73.658, bei Bündnis90/Grünen bei 31.078 und

bei den Piraten bei 11.027 (vgl. Böhmer/Weissenbach (wie Anm. 53)).

57 Vgl. ebd.

deutschen Bundestag zeigen. Ob sich die AfD nachhaltig

im deutschen Parteiensystem etablieren wird und wettbe-

werbsfähig sein kann, wird vor allem von der Entwicklung

der Partei in diesen parteiinternen Dimensionen abhängen.

Regierungsbildung: Premiere für ein neues

Koalitionsmodell?

ImWahlkampf zur Bundestagswahl 2017 wurde bereits

viel darüber spekuliert, inwieweit es nach der Wahl um

eine gänzlich neue Koalitionskonstellation gehen könnte.

Die Überraschung fällt daher nicht so groß aus, dass

CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen tatsäch-

lich über ein auf Bundesebene neues Bündnisformat – die

so genannte Jamaika-Koalition – sondierten. Dort wurde

über mehrere Wochen bis ins Detail über ein gemeinsa-

mes Programm gerungen, letztlich beendete aber die FDP

mit Verweis auf die vielen offenen Konfliktpunkte die

Gespräche. Obwohl zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar

ist, ob es trotz der Absage der SPD an eine Große Koali-

tion nun doch zu einer Neuauflage dieser Zusammenar-

beit kommt oder ob die Wählerinnen und Wähler bald

noch einmal an die Wahlurnen müssen, lassen sich zum

jetzigen Zeitpunkt drei Entwicklungen herausstellen, die

bei dieser Bundestagswahl hinsichtlich der Regierungsbil-

dung besonders waren: Das betrifft erstens den Umgang

mit Koalitionssignalen vor der Wahl, zweitens eine Ver-

schiebung im deutschen Parteiensystem sowie drittens

neue Verfahren der Koalitionsbildung.

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei

(FDP), verkündet am 19.11.2017 den Rückzug der FDP aus den „Jamaika-

Sondierungen“ vor der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin.

picture alliance/Fotograf Bernd von Jutrczenka

Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der

CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer, äußern

sich am 20.11.2017 zum Scheitern der Jamaika-Sondierungen von CDU, CSU,

FDP und Grünen in der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin.

Foto: picture alliance / Fotograf: Bernd von Jutrczenka

Wahlnachlese 2017