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Rezeption der Weißen Rose in der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR
Einsichten und Perspektiven 3 | 16
Diese Entwicklung an der Leipziger Uni-
versität wurde überregional von der SED
kritisch verfolgt. Während in der ganzen
SBZ die sozialistischen Zwangstrans-
formationen voranschritten, schien die
Hochschule Leipzig sich zu einem Refu-
gium des bürgerlichen Lagers zu entwi-
ckeln. Im Sommersemester 1948 kam es
im Streit um die Zulassungsbestimmun-
gen und trotz der Betonung des bürger-
lichen Flügels, „daß die Begabtesten aller
Volksschichten zum Studium zugelassen
werden sollen“ und „damit ganz selbst-
verständlich auch und ganz besonders die
begabtesten Arbeiter- und Bauernkinder
gemeint“ seien,
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zur Spaltung des Stu-
dentenrates. Als die SED erkannte, dass
sie auf dieser Grundlage nicht ihre dikta-
torische Strukturierung der ostdeutschen
Hochschullandschaft in Leipzig durchset-
zen konnte und hinsichtlich der bevorste-
henden Studienratswahlen im Dezember
eine noch größere Niederlage befürchten
musste, griff man zu illegalen Mitteln:
Wolfgang Natonek wurde zusammen mit
20 weiteren Studierenden in der Nacht
vom 12. zum 13. November 1948 „auf
offener Straße“ verhaftet.
In den Akten des Bundesbeauftrag-
ten für die Unterlagen des Staatssicher-
heitsdienstes der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik (BStU) befin-
den sich einige Dokumente aus dem
Herbst 1948 an der Universität Leipzig.
Die rechtswidrige Verhaftung von Nato-
nek bewirkte unmittelbar Widerstands-
versuche einiger Studenten, die ein Flug-
blatt mit demTitel „Natonek? Quo usque
tandem?“ (Natonek? Wie lange noch?)
veröffentlichten. Neben den Bezügen zur
aktuellen Lage an der Leipziger Univer-
sität und dem Aufruf der Widerstands-
gruppe an ihre Kommilitonen, sich der
Willkürherrschaft zu widersetzen, sind
vor allem die Vergleiche mit dem Natio-
nalsozialismus bemerkenswert:
33 Zit. nach ebd., S. 480.
Flugblatt vom 30.11.1948
Quelle: BStU