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Bayerische Leitlinien für die Bildung und Erziehung
3.4 Inklusion – Pädagogik der Vielfalt
An Bildungsorten treffen sich Kinder, die sich in vielen Aspekten unterscheiden, z.B. hinsichtlich
Alter, Geschlecht, Stärken und Interessen, Lern- und Entwicklungstempo, spezifischem Lern- und
Unterstützungsbedarf sowie ihrem kulturellen oder sozioökonomischen Hintergrund. Inklusion als
gesellschafts-, sozial- und bildungspolitische Leitidee lehnt Segregation anhand bestimmter Merk-
male ab. Sie zielt auf eine Lebenswelt ohne Ausgrenzung und begreift Diversität bzw. Heterogenität
als Normalfall, Bereicherung und Bildungschance. Für Kinder mit Behinderungen betont sie das
Recht auf gemeinsame Bildung; bei der Entscheidung über den Bildungsort, die in der Verantwor-
tung der Eltern liegt, steht das Wohl des Kindes im Vordergrund. Eine an den individuellen Bedürf-
nissen ausgerichtete Bildungsbegleitung, die sich durch multiprofessionelle Teams und multiprofes-
sionelles Zusammenwirken verschiedener Bildungseinrichtungen realisiert, sichert Bildungsgerech-
tigkeit. Auch Differenzierungsangebote und der bewusste Wechsel zwischen heterogenen und
homogenen Gruppen tragen dazu bei. Partizipation und Ko-Konstruktion bieten einen optimalen
Rahmen, in dem sich die Potenziale einer heterogenen Lerngruppe entfalten können.
4 Organisation und Moderierung
von Bildungsprozessen
Damit Prozesse der Ko-Konstruktion, Partizipation und Inklusion gelingen, ist die Haltung entschei-
dend, die dem Handeln der Pädagoginnen und Pädagogen zugrunde liegt. Diese Haltung basiert auf
Prinzipien wie Wertschätzung, Kompetenzorientierung, Dialog, Partizipation, Experimentierfreudig-
keit, Fehlerfreundlichkeit, Flexibilität und Selbstreflexion.
Zentrale Aufgaben der Pädagoginnen und Pädagogen sind die Planung und Gestaltung optimaler
Bedingungen für Bildungsprozesse, die eigenaktives, individuelles und kooperatives Lernen nach-
haltig ermöglichen. Dies erfordert eine stete Anpassung der Lernumgebungen, die individuelle Kom-
petenzentwicklung im Rahmen der heterogenen Lerngruppe zulassen. Im pädagogischen Alltag
wird dies anhand einer Methodik umgesetzt, bei der kommunikative Prozesse sowie vielfältige
Formen der inneren Differenzierung und Öffnung im Vordergrund stehen. Für die Organisation von
Lernumgebungen (äußere Bedingungen, Lernmaterialien und -aufgaben, Sozial- und Arbeitsformen)
sind eine konsequente Orientierung an den Kompetenzen der Kinder und deren aktive Beteiligung
notwendig. Das Interesse der Kinder ist Ausgangspunkt der Bildungsaktivitäten. Wichtige Prinzipien
einer kompetenzorientierten Bildungs- und Unterrichtsgestaltung sind die Vernetzung von Einzel-
inhalten, ihre Einbettung in größere Zusammenhänge (bereichsübergreifendes bzw. fächer-
verbindendes Lernen), Anwendungssituationen für erworbene Kompetenzen in verschiedenen
Bereichen und die Reflexion des eigenen Lernens.
Um den komplexen Anforderungen bei der Organisation, Planung und Dokumentation adaptiver
Lernangebote und -umgebungen gerecht werden zu können, sind sachbezogene, didaktisch-metho-
dische, pädagogische, personal-soziale und reflexive Kompetenz sowie kollegiale Unterstützung und
politisch-gesellschaftliche Wertschätzung unabdingbar.