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Schule & wir
4 | 2016
Prof. Dr. Ursula Bredel ... ... ist seit 2002 Professorin für deutsche Spra- che und ihre Didaktik. Sie lehrt und forscht an der Universität Hildesheim zu den Themen Grammatik- und Orthografiedidakik.Was halten Sie als Wissenschaftlerin davon,
dass in manchen Ländern die Schreibschrift
abgeschafft wird?
Der große Vorteil der verbundenen Schriften ist,
dass die Schreiber nicht einfach Einzelbuchsta-
ben notieren, die je nach individuellem Bedarf
verknüpft werden, sondern lernen, Buchstaben-
folgen in einem Zug zu schreiben. Das erlaubt
eine optimale Koordination von Kopf und Hand:
Denn der Kopf beauftragt die Hand nicht, einzelne
Buchstaben zu notieren, sondern Silben, Wortbau
-steine und Wörter zu verschriften. Verschiedene
Studien haben gezeigt, dass die Einübung von
größeren grafomotorischen Bewegungen nicht nur
die Schreibflüssigkeit positiv beeinflusst, sondern
auch den Aufbau eines orthografischen Lexikons
stützt.
In welchem Alter entwickeln die Schüler eine
individuelle Handschrift? Wie lange dauert
dieser Prozess?
Ausgehend von den Mustern, die durch die
Ausgangsschriften gelernt und eingeübt wurden,
bildet jeder Schreiber und jede Schreiberin seine
bzw. ihre individuellen Bewegungsabläufe aus;
deshalb sprechen wir bei den ersten verbundenen
Schriften von Ausgangs-, nicht von Zielschriften.
Die Individualisierung beginnt teilweise schon
in der Grundschulzeit, spätestens aber in der
weiterführenden Schule. Je nach Intensität der
Handschriftennutzung und nach dem Anspruch,
den Schreiber an ihre Handschrift stellen, kann
dieser Prozess nach ein paar Jahren abgeschlos-
sen sein oder weit über die Schulzeit hinaus
anhalten.
(jf)
„Die Schreib-
schrift erlaubt
eine optimale
Koordination von
Kopf und Hand“
Interview mit Prof. Dr. Ursula Bredel
SCHREIBERZIEHUNG
INTERVIEW