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Susan Arndt

Afrikastudien? So pauschal wie der Name ist oft auch die

Reaktion darauf: »Ach, mein Vater hat alle Leni Riefenstahl-

Bände Zuhause«; oder »Ich lese auch gerade ein Buch über

die Inka«; oder: »Ja, wie heißen diese Fische im Viktoriasee

nochmal?« sind die eher harmloseren Reaktionen. Das Pro-

blem beginnt bereits damit, das in der Bezeichnung dieses

Faches der Name eines Kontinentes auftaucht. Gemeinhin

werden akademische Fächer ja eher nach Methoden, Theo-

rien und Grundlagen der wissenschaftlichen Arbeit benannt,

also etwa Geschichte oder Chemie. Orte, die beforscht werden,

landen in der Regel nicht in den Namen von Disziplinen. Zwar

gibt es die Germanistik, Anglistik oder Romanistik, die nach

den untersuchten Sprach- und Literaturräumen benannt

werden. Doch bei den Afrikastudien werden so diverse wis-

senschaftliche Disziplinen wie etwa Ethnologie, Linguistik,

Soziologie, Filmwissenschaft, Politikwissenschaft, Religions-

wissenschaft, Biologie, Geschichte, Geographie, Umwelttech-

nologie und Literaturwissenschaft in einen Topf geworfen,

sobald die betreffenden Wissenschaftler*innen eines tun:

regelmäßig über den afrikanischen Kontinent forschen –

egal was, egal wo. Das erinnert schon daran, dass über

Afrika oft sehr verallgemeinernd gesprochen wird und Afrika

dabei oft im gleichen Denktopf wie andere ehemals von

Europa kolonisierte Räume landet – siehe die obige Parallele

zwischen Afrikastudien und den Inkas. Und apropos Riefen-

stahl: Tatsächlich ist nicht nur der Name »Afrikastudien«,

sondern auch die Geschichte dieses Faches im kolonialen

Diskurs verankert.

»Wissenschaftliche« Rechtfertigung des Kolonialismus

Als Europa kolonial expandierte, bedurfte es zur Legitimie-

rung von Menschen- und Völkerrechtsverletzungen einer

Rechtfertigungsideologie, die in der Erfindung menschlicher

›Rassen‹ mündete. In einem pan-europäischen Unterfangen

wurde ebenso banal wie fatal proklamiert: Die ›weiße Rasse‹

(und ihr Christentum) sei allen anderen überlegen. Anti-

thetisch wurden die anderen ›Rassen‹ als Natur und dem

Menschsein fern deklariert. Immanuel Kant war Teil dieses

pan-europäischen Projektes und führte den Begriff ›Rasse‹

in den deutschen Kontext ein. Wie andere Aufklärer, und

nach ihm auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel, rechtfertigte

er die europäische Versklavung von Afrikaner*innen. Diese

legte den Grundstock für die Industrielle Revolution in

Europa, während sie gleichzeitig nicht nur mehr als

14 Millionen Menschen ihrer Freiheit beraubte und ver-

Afrikastudien in Bayreuth

mutlich ebenso viele Leben auslöschte, sondern auch lang

gewachsene soziale und ökonomische Strukturen auf dem

afrikanischen Kontinent und den Amerikas zerstörte.

Das Ende der Sklaverei tat dem Versuch, Rassismus wissen-

schaftlich zu fundieren, keinen Abbruch. Vielmehr trat der

Kolonialismus in seine imperiale Phase über, deren koloniale

Sehnsucht in Richard Wagners berühmt-berüchtigten Wor-

ten 1848 wie folgt klingt: »Nun wollen wir in Schiffen über

das Meer fahren« und »es deutsch und herrlich machen.«

Diese Vision und Praxis wird 1884 durch die sogenannte

Berliner Konferenz besiegelt. Europa teilt sich Afrika auf und

zieht Grenzlinien, die auf historisch gewachsenen Struktu-

ren keine Rücksicht nehmen. Kurz darauf baut Deutschland

erste Konzentrationslager. In »Deutsch-Südwestafrika«, dem

heutigen Namibia, befiehlt Lothar von Trotha einen deut-

schen Genozid und Eugen Fischer etabliert die Eugenik –

Relikte davon liegen bis heute in deutschen Museen und

Krankenhäusern.

Insofern all dies wenig mit den Idealen von Freiheit, Gleich-

heit und Brüderlichkeit zu vereinbaren war, bedurfte Europa

nach wie vor philosophischer und wissenschaftlicher Absi-

cherungen kolonialer Gewalt. Zum einen wurde die Behaup-

tung, dass Menschen in ›Rassen‹ unterteilt werden können,

in zum Teil neu etablierte wissenschaftliche Disziplinen wie

etwa die Phrenologie eingeschrieben. Um koloniale Herr-

schaft ausüben zu können, war zudem, gemäß dem Credo

»Wissen ist Macht«, Zugang zu lokalemWissen kolonisierter

Räume unerlässlich. Dabei spielte auch botanisches, geologi-

sches und zoologisches Wissen eine Rolle. Für die Machtaus-

übung zentraler jedoch waren Kenntnisse lokaler Sprachen

und Religionen, politischer Strukturen und kultureller Werte

eine unverzichtbare Grundausstattung, welche die Völker-

kunde und Afrikanistik lieferten.

Historische Kontexte der Afrikastudien

Im Ergebnis dieser Geschichte kam es 1887 an der Berli-

ner Universität zur Gründung des Seminars für Orientali-

sche Sprachen, das sich auf Sprachen Afrikas konzentrierte

und zudem ›Völkerkunde‹ betrieb. Geschichtswissenschaf-

ten oder Literaturwissenschaften etwa kamen nahezu ein

Jahrhundert lang nicht vor, weil es nach herrschender Mei-

nung und nicht zuletzt der Hegels weder Geschichte noch

irgendetwas anderes Menschliches in Afrika gäbe, also auch

In der

der eigenen

Zukunft

Geschichte

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