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Die Entstehung von Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus

Einsichten und Perspektiven 2 | 17

die Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen

benutzten und zur „Wohnsiedlung Dachau-Ost“ umge-

stalteten. Als Gedenkort war damals nur der Krematori-

umsbereich verblieben, in dem 1950 das „Denkmal des

unbekannten Häftlings“ aufgestellt und einige Monate

später eine wiederum von ehemals Verfolgten erarbei-

tete neu gestaltete Ausstellung eröffnet wurde, die jedoch

1953 nach einer heftigen Medienkampagne im Vorjahr

von der für die Gedenkstätte zuständigen „Staatlichen

Verwaltung der bayerischen Schlösser, Gärten und Seen“

wieder geschlossen wurde. Zwei Jahre später beantragte

der CSU-Abgeordnete Heinrich Junker, zugleich Dach-

auer Landrat, im Bayerischen Landtag sogar die Schlie-

ßung des Krematoriumsgeländes, dem sich auch andere

Landespolitiker anschlossen. Dieser Vorstoß, der bei den

ehemaligen Häftlingen große Entrüstung auslöste, schei-

terte aber daran, dass sich die Bundesrepublik Deutsch-

land in einem Zusatzabkommen zu den Pariser Verträgen

verpflichtet hatte, die Unantastbarkeit von Grabstätten

von Opfern des NS-Regimes zu garantieren.

Die Initiative zur Errichtung einer Gedenkstätte auf dem

Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau ging

von den Überlebenden aus, die sich 1955 am 10. Jahrestag

der Befreiung in Dachau trafen. Die ehemaligen Häftlinge –

vor allem aus den westeuropäischen Ländern, die dort teil-

weise bedeutende Positionen in Politik und Gesellschaft

innehatten – zeigten sich bestürzt über die Zustände im

ehemaligen Häftlingslager, das jetzt als Wohnlager diente.

So kam es anlässlich dieses Jahrestages zur Neugründung

des Internationalen Häftlingskomitees von 1945

(Comité

International de Dachau

– CID), das die Errichtung einer

würdigen Mahn- und Gedenkstätte zum Ziel hatte. In den

folgenden Jahren ging es zunächst darum, sowohl einen

Aufnahmestopp für das Wohnlager durchzusetzen und eine

Umsiedlung der Bewohner zu bewerkstelligen, als auch

Personen in Schlüsselstellungen für die Unterstützung des

Projektes zu gewinnen. Für die Verwirklichung war das

Engagement des CID unter seinem langjährigen Präsiden-

ten, dem belgischen General Albert Guerisse, von entschei-

dender Bedeutung. Auf deutscher Seite sind der langjährige

bayerische Staatsminister Alois Hundhammer (CSU), der

1933 im KZ Dachau inhaftiert war, der Münchner Weihbi-

schof Johannes Neuhäusler, 1941 bis 1945 Sonderhäftling

in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau,

sowie der ehemalige kommunistische Häftling Otto Kohl-

hofer als Vorsitzender der deutschen Lagergemeinschaft

und Mitglied des CID hervorzuheben.

Mit der Errichtung einer katholischen Gedenkkapelle

„Todesangst Christi“ anlässlich des 37. Eucharistischen

Weltkongresses wurde bereits 1960 auf dem Gelände

der geplanten Gedenkstätte eine religiöse Gedenkanlage

geschaffen. Im gleichen Jahr wurde auch eine provisori-

sche Ausstellung des CID in den Räumen des großen Kre-

matoriums eröffnet. 1962 kam es zu einer Vereinbarung

zwischen dem Freistaat Bayern und dem CID über die

Ausgestaltung und Finanzierung der Gedenkstätte im ehe-

maligen KZ Dachau. Im Laufe der nächsten Jahre wurden

die freigewordenen Baracken abgerissen, das Schutzhaft-

lager hergerichtet und zwei Baracken rekonstruiert. Eine

Arbeitsgruppe aus ehemaligen Häftlingen und Fachbera-

tern stellte, gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des CID,

die Ausstellung in dem zum Museum umgewandelten

ehemaligen KZ-Wirtschaftsgebäude nach der Konzep-

tion des CID zusammen. Die Eröffnung der neu gestal-

teten Gedenkstätte fand anlässlich des 20. Jahrestages der

Befreiung Anfang Mai 1965 statt. Schon 1964 wurde das

Kloster „Heilig Blut“, das unmittelbar an die Mauer des

ehemaligen Häftlingslagers angrenzt, eingeweiht. 1967

kamen zwei weitere religiöse Gedenkanlagen – die evan-

gelische Versöhnungskirche und die jüdische Gedenk-

stätte – hinzu. Mit der Errichtung des Internationalen

Mahnmals im September 1968 wurde die Neugestaltung

der Gedenkstätte vervollständigt.

Allerdings wurden damals auf Beschluss des von poli-

tischen Häftlingen und Widerstandkämpfern (roter

Winkel) dominierten CID die Opfergruppen der Homo-

sexuellen (rosa Winkel), der in der Naziterminologie so

bezeichneten „Berufsverbrecher“ (grüner Winkel) und der

„Asozialen“ (schwarzer Winkel), die als „Kriminelle“ und

nicht als Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes

angesehen wurden, aus dem Gedenken ausgegrenzt. Erst

im Laufe weiterer Jahrzehnte und nach teilweise heftigen

öffentlichen Auseinandersetzungen konnten diese „ver-

gessenen“ und von der Gesellschaft vielfach weiterhin

diskriminierten Verfolgtengruppen einen angemessenen

Platz sowohl in der Gedenkstätte Dachau wie auch in

der Gedenk- und Erinnerungskultur der Bundesrepublik

erreichen.

25

Gedenkstätten in der DDR

Zwischen 1945 und 1950 bestanden auf dem Gelände

der ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald und

Sachsenhausen als „Speziallager“ bezeichnete Internie-

rungslager des sowjetischen Geheimdienstes (NKWD/

25 Vgl.

https://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/station13.html

[Stand:

25.03.2017].