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Bunte Koalitionsrepublik Deutschland
Einsichten und Perspektiven 2 | 17
In Deutschland regiert seit 2013 eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD.
Unabhängig von der inhaltlichen Regierungsbilanz gilt, dass das Regierungs-
bündnis von Konservativen und Sozialdemokraten als den beiden Hauptkräften
des deutschen Parteiensystems von den Wählern ambivalent bewertet wird.
Umfragen zeigen, dass das Bündnis aufgrund der damit verbundenen Stabilität
einerseits durchaus positiv eingestuft wird, gerade in schwierigen und turbu-
lenten Zeiten. Andererseits wird zugleich kritisch gesehen, dass nur wenig
Raum für die geschrumpfte Opposition verbleibt. Dieser fällt es mit ihren
wenigen Sitzen schwer, sich Gehör zu verschaffen. Sogar die Regierungsfrak-
tionen selbst bewerteten nach der Wahl 2013 ihre eigene Übermacht skep-
tisch und änderten die Geschäftsordnung des Bundestages, um der historisch
kleinen Opposition aus Grünen und Linkspartei weiterhin Zugriff auf wichtige
Oppositionsinstrumente einzuräumen.
1
Auch das ist ein Grund, warum diese
Koalitionsvariante oft den Stempel einer Notlösung erhält.
Wie kommt es, dass nach der schon von Bundeskanzlerin
Angela Merkel geführten Großen Koalition von 2005 bis
2009 seit 2013 erneut eine solche Konstellation amtiert?
Ist nach der anstehenden Bundestagswahl im Herbst 2017
eine Fortsetzung dieses Bündnisses zu erwarten? Welche
Alternativen gäbe es?
Im folgenden Beitrag wird knapp erläutert, warum Par-
teien überhaupt Koalitionen eingehen und welche Fakto-
ren die Regierungsbildung beeinflussen. Zunächst wird der
Wandel des deutschen Parteiensystems skizziert, durch den
sich die Rahmenbedingungen für Koalitionen in Deutsch-
land verschieben. Da sich größere Veränderungen auf Bun-
desebene oft bereits auf Ebene der Bundesländer abzeichnen,
wird ein Blick auf die Koalitionslandschaft in den Ländern
geworfen, bevor abschließend ein spekulativer Ausblick auf
die Bundestagswahl im Herbst 2017 gewagt werden soll.
Was sind Koalitionen und wie bilden sie sich?
Koalitionen sind Zweckbündnisse von Parteien auf Zeit.
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Ihnen liegt ein unauflösbares Spannungsverhältnis von
Kooperation und Wettbewerb zugrunde. Die Koalitionäre
1 Deutscher Bundestag, Minderheitenrechte im Parlament neu geregelt,
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/50128110_ kw14_de_minderheitenrechte/216634 [Stand: 18.05.2017].2 Vgl. Niko Switek: Koalitionsregierungen. Kooperationen unter Konkurren-
ten, in: Karl-Rudolf Korte/Timo Grunden (Hg.): Handbuch Regierungsfor-
schung, Wiesbaden 2013, S. 277–286.
arbeiten zwar im Regierungsalltag zusammen, auf Wähler
ebene konkurrieren sie aber weiter miteinander – umso
ausgeprägter, je näher der nächste Wahltermin rückt.
Parlamentarische Systeme sind in der Regel so ausge-
legt, dass die Regierung sich auf eine Mehrheit im Par-
lament stützt. Zwar kennen einige skandinavische Län-
der auch Minderheitsregierungen, die mit wechselnden
Mehrheiten ohne feste Parteienbündnisse auskommen, in
Deutschland sind aber Mehrheitskoalitionen die Regel.
3
Daraus ergibt sich in der politischen Praxis ein Block aus
Regierung und den sie tragenden Fraktionen im Parla-
ment, dem die nicht in die Regierung einbezogenen Frak-
tionen als Opposition gegenüberstehen.
Für die Koalitionsbildung im Bund und in den Ländern
ist eine rechnerische Mehrheit naturgemäß ein entschei-
dender Faktor.
4
Über Mehrheiten lässt sich anhand von
Umfragen im Vorfeld der Wahl zwar trefflich spekulieren,
aber erst das Wahlergebnis bietet die letztgültige Ausgangs-
lage für Sondierungen und Koalitionsverhandlungen.
Die Koalitionsforschung differenziert dabei verschiedene
Typen möglicher Mehrheiten.
5
Der Annahme folgend,
3 Vgl. Sabine Kropp: The Ubiquity and Strategic Complexity of Grand Coalition
in the German Federal System, in: German Politics 19 (2010), S. 286–311.
4 Vgl. Switek (wie Anm. 3).
5 Vgl. Suzanne S. Schüttemeyer: Koalition/Koalitionstheorie, in: Dieter Nohlen/
Rainer-Olaf Schultze (Hg.): Lexikon der Politikwissenschaft: Theorien, Me-
thoden, Begriffe, München 2010, S. 466 f.