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3.4.4 Durchführung
Es gibt verschiedene Arten der Durchführung
von Lernentwicklungsgesprächen. Am Gespräch
sollten normalerweise nicht mehr als drei Erwach-
sene (Lehrkraft und Eltern) teilnehmen, damit für
das Schulkind eine möglichst unbefangene Atmo-
sphäre gewahrt bleibt. Bestehen Verständigungs-
probleme, wenn Kind und Eltern nicht ausreichend
Deutsch sprechen, kann mit dem Einverständnis
der Erziehungsberechtigten eine Dolmetscherin
oder ein Dolmetscher hinzugezogen werden. In
der inklusiven Grundschule ist je nach Ausprägung
des Förderbedarfs des Kindes zu erwägen, ob ein
modifiziertes Gespräch auf der Basis der Selbst-
einschätzung geführt werden kann.
Die große Mehrzahl der Kinder bringt sich in
das Gespräch aktiv ein. Als Einstieg eignen sich
vor allem die Stärken des Kindes, die im Einschät-
zungsbogen auch zuerst abgefragt werden. Im-
pulse für das Gespräch ergeben sich schnell, wenn
die Einschätzungsbögen des Kindes und der Lehr-
kraft zum Vergleich nebeneinander gelegt wer-
den. Viele Kinder entdecken dann sofort überein-
stimmende oder unterschiedliche Bewertungen.
Vor allem sehr unterschiedliche Einschätzungen
sind Anlass, die Ursache im Detail zu besprechen
und gemeinsam ein Ziel zu vereinbaren. Im Ein-
schätzungsbogen sind Freiräume für handschrift-
liche Notizen vorgesehen, falls sich im Gespräch
wichtige Aussagen ergeben, die im Bogen nicht
enthalten sind und dokumentiert werden sollten.
Damit die Konzentrationsfähigkeit von Schulan-
fängerinnen und Schulanfängern nicht überstra-
paziert wird, sollte das Gespräch maximal 30 Mi-
nuten dauern. Nicht immer können alle Einzel-
heiten der Selbsteinschätzung angesprochen wer-
den. Die Lehrkraft fungiert als Gesprächsleitung;
sie setzt zielführende Schwerpunkte und spricht
das Schulkind auch konkret an.
Im Gespräch ergeben sich ohne Ausnahme
schnell Ziele für das weitere Lernen. Lösungs-
ansätze oder Fördermaßnahmen bei besonderen
Schwierigkeiten können im Konsens vereinbart
und handschriftlich an entsprechender Stelle im
Einschätzungsbogen der Lehrkraft festgehalten
werden. Für die Zielvereinbarung am Ende des
Lernentwicklungsgesprächs hat sich eine geringe
Anzahl von zwei bis drei Nahzielen bewährt. Be-
sonders hilfreich für das Kind sind persönliche
Zielvereinbarungen, die entwicklungsgemäß sowie
möglichst konkret formuliert werden und kurzfris-
tig überprüfbar sind, z.B. „Ich lese zu Hause jeden
Tag zehn Minuten laut vor.“ oder „Ich räume sonn-
tags meinen Schulranzen auf.“ Die Zielvereinba-
rungen werden auf dem Einschätzungsbogen der
Lehrkraft notiert, den alle Gesprächsteilnehmer
am Ende unterschreiben. Dieser Bogen wird zu-
sammen mit dem Selbsteinschätzungsbogen des
Kindes dem Kind und seinen Eltern übergeben.
Eine Kopie des Bogens mit den Unterschriften
wird im amtlichen Schülerbogen abgeheftet, eine
Kopie des Selbsteinschätzungsbogens des Kindes
kann zu den Aufzeichnungen und Schülerbeob-
achtungen der Lehrkraft genommen werden. Um
den Zeugnischarakter des Einschätzungsbogens
der Lehrkraft zu betonen, kann ein farbiger Aus-
druck der Bögen auf dickerem Papier erfolgen.
3.4.5 Evaluation
Alle Beteiligten bestätigten, dass die Lernent-
wicklungsgespräche eine Atmosphäre der Wert-
schätzung schaffen. Kinder fühlen sich angenom-
men und gehen gestärkt aus dem Gespräch, in
dessen Mittelpunkt sie und ihr Lernfortschritt ste-
hen. Entwicklungsgemäße und persönliche Ziel-
vereinbarungen geben den Kindern zudem nach
eigenen Aussagen Hilfe und Wegweisung für das
weitere Vorankommen. Dabei erfahren sie die
Unterstützung durch Elternhaus und Klassenlehr-
kraft als besonders ermutigend. Das Herausstel-
len der Stärken ist für die Kinder außerordentlich
motivierend.
Kinder, Lehrkräfte und Eltern unterstreichen,
dass die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und
Schüler als äußerst gewinnbringend empfunden
wird, denn Kinder und Eltern sind dadurch auf das
Gespräch gut vorbereitet. Auch ist die Neugier
groß, wie die Einschätzung der Lehrkraft im direk-
ten Vergleich zur Selbsteinschätzung des Kindes
aussieht. Für Lehrkräfte ist es sehr aufschluss-
reich, wie zutreffend ihre Schülerinnen und Schü-
ler das eigene Lernen reflektieren können. Gerade
durch den direkten Vergleich der Einschätzungs-
bögen ergeben sich schnell Gesprächsanlässe.