Schulversuch Flexible Grundschule - Dokumentation, Ergebnisse, Emfpehlungen für die Praxis - page 127

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IV 1 Jahrgangsgemischtes Lernen – Potenziale für den inklusiven Unterricht
1 Jahrgangsgemischtes Lernen – Potenziale für den
inklusiven Unterricht (Prof. Dr. Ulrich Heimlich)
Vorbemerkung
Im Folgenden wird besonders auf das Potenzial
des jahrgangsgemischten Lernens für die inklu-
sive Schule und den inklusiven Unterricht Bezug
genommen. In diesem Zusammenhang ist der
Beschluss des Landtags vom 07.07.2010 leitend,
in dem die Bayerische Staatsregierung aufgefor-
dert wird, Schulprojekte auf dem Weg zur inklu-
siven Schule einzurichten.
1
Eines der dort näher
bezeichneten Schulprojekte ist der „Einbezug
der sonderpädagogischen Förderung in die fle-
xible Eingangsstufe der Grundschule“. Seit dem
01.08.2011 zählen der inklusive Unterricht und
die inklusive Schulentwicklung zu den Aufgaben
aller Schulen in Bayern
2
, d. h., Inklusion ist auch
Aufgabe der Schulen im Modellversuch Flexible
Grundschule. In diesem wird ein individualisieren-
des Lernangebot im Rahmen eines spezifischen
didaktisch-methodischen Unterrichtskonzepts mit
dem Ziel einer qualitativen Weiterentwicklung
des Unterrichts in jahrgangsgemischten Klassen
entwickelt und erprobt. Die gesamtgesellschaft-
liche Aufgabe der Inklusion gehörte nicht zu den
Kernelementen dieses Modellversuchs, wurde
aber hinsichtlich verschiedener Aspekte, wie z.B.
der Zusammenarbeit mit Diagnose- und Förder-
klassen oder dem Einsatz inklusionsdidaktischer
Netze, mit einbezogen.
Während der Laufzeit des Modellversuchs lag
der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf an der Schü-
lerschaft in den Modellklassen zwischen 5,7 und
8,7 Prozent. Nahezu die Hälfte dieser Kinder wies
einen sonderpädagogischen Förderbedarf im För-
derschwerpunkt Lernen auf. Unter den übrigen
Förderbereichen dominierten die Förderschwer-
punkte emotionale und soziale Entwicklung so-
wie Sprache. Dieser Befund dokumentiert, dass
das Konzept des jahrgangsgemischten Lernens
auch und gerade in der Schuleingangsstufe alle
sonderpädagogischen Förderschwerpunkte mit
einzubeziehen vermag. Hinzu treten unter dem
Aspekt der Heterogenität in jahrgangsgemisch-
ten Klassen hochbegabte Kinder – ebenfalls eine
Herausforderung für die Entwicklung differenzie-
render und individualisierender Maßnahmen im
Unterricht der Flexiblen Grundschule.
1.1 Inklusive Aspekte der Didaktik
und Methodik des jahrgangs-
gemischten Lernens
Beim jahrgangsgemischten Lernen wird im
Sinne des inklusiven Unterrichts und der inklusi-
ven Schule die Heterogenität der Lernausgangs-
lagen als Chance betrachtet und das Potenzial
des Voneinander- sowie des Miteinanderlernens
explizit betont.
3
Der Rückbezug auf ein sozial-
konstruktivistisches Verständnis von Lernen und
Unterricht im Sinne von ko-konstruktivem Lernen
erweist sich in diesem Zusammenhang als hilf-
reich.
4
„Das Voneinanderlernen und sich gegen-
seitige Unterstützen beim Lernen erhält in einem
solchen Setting eine andere Qualität, weil die
Heterogenität aufgrund der Altersunterschiede
als natürlich und nicht als Problem empfunden
wird.“
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Damit ist zugleich eine wichtige mögliche
Voraussetzung für den inklusiven Unterricht ge-
geben.
6
Auch die Kompetenzorientierung in den ent-
sprechenden Lernangeboten eröffnet potenzielle
Zugänge zu unterschiedlichen Lernvoraussetzun-
gen, da deutlicher die Stärken der Kinder betont
werden. In der konkreten Umsetzung haben sich
die Methoden des kooperativen Lernens im jahr-
gangsgemischten Unterricht als wirksam und
praktisch realisierbar erwiesen.
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Darüber hinaus
ist die Bedeutung einer entsprechenden Lern-
umgebung für das Lernen in der jahrgangsge-
mischten Gruppe hervorzuheben. Dabei gilt es
ebenfalls, die individuellen Förderbedürfnisse von
Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf
in den verschiedenen Förderschwerpunkten zu
berücksichtigen. Auch für diese Schülerinnen und
Schüler sind entsprechende Fördermaterialien im
Klassenraum bereitzuhalten. Insofern kann das
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