Schulversuch Flexible Grundschule - Dokumentation, Ergebnisse, Emfpehlungen für die Praxis - page 128

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Konzept des Unterrichts in jahrgangsgemischten
Gruppen durchaus eine Ausgangsbasis für die
Entwicklung des inklusiven Unterrichts und der
inklusiven Schule in Bayern bilden.
Entscheidend für das Gelingen des Unterrichts-
konzepts ist, dass an die Schülerinnen und Schü-
ler jeweils angemessene Anforderungen gestellt
werden. Der neue LehrplanPLUS Grundschule ist
auf ein mittleres Anforderungsniveau ausgelegt.
Es ist Aufgabe der Lehrkraft, für hochbegabte
oder schneller lernende Schülerinnen und Schüler
differenzierende und individualisierende Ange-
bote zu gestalten. Dies gelingt durch offene und
gemeinsame Lernaufgaben. Dabei werden auch
basale Kompetenzen, die für Schülerinnen und
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf
besonders relevant sind, bei der Gestaltung von
Lernumgebungen angemessen berücksichtigt.
Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpä-
dagogischem Förderbedarf sind Aufgaben zum
Lernen mit vielen Sinnen, Lernaufgaben ohne
allzu komplexe sprachliche Anforderungen und
handlungsorientierte Lernaufgaben von zentraler
Bedeutung.
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Am Beispiel des Lernbereichs Ma-
thematik zeigt sich, dass in vielen Grundschulen
schon sehr früh auf einer symbolischen Reprä-
sentationsstufe gearbeitet wird. Schülerinnen
und Schüler mit sonderpädagogischem Förder-
bedarf benötigen allerdings sehr viel länger noch
Angebote auf der Handlungsebene.
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Bezogen auf
die Kompetenzorientierung im Unterrichtskon-
zept des jahrgangsgemischten Lernens ist eine
entwicklungsorientierte Darstellung einschließlich
basaler Kompetenzen verbunden mit entspre-
chenden Lernaufgaben zu bevorzugen. Auf diesem
Weg könnten Grundschullehrkräfte unterschiedli-
che Entwicklungsstände bis hin zum sonderpäda-
gogischen Förderbedarf noch stärker berücksich-
tigen und dies in Kooperation mit sonderpäda­
gogischen Lehrkräften als gemeinsame Aufgabe
ansehen. Für die didaktische Grundlegung wäre
es sinnvoll, inklusive Unterrichtsbausteine zu for-
mulieren, die sowohl Zielkompetenzen als auch
unterschiedliche Lernwege und unterschiedliche
Anforderungsniveaus in den verschiedenen Lern-
und Entwicklungsbereichen beschreiben. Die Li-
teratur zum inklusiven Unterricht liefert dazu
mittlerweile viele konkrete Anregungen.
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Mit dem Modell der inklusionsdidaktischen
Netze
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steht beispielsweise ein Instrument zur
Verfügung, mit dem Unterrichtsinhalte für hete-
rogene Lerngruppen, wie das beim jahrgangs-
gemischten Lernen in der Regel der Fall ist, so
aufbereitet werden können, dass alle Schüle-
rinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen
Lernvoraussetzungen an einem gemeinsamen
Unterrichtsgegenstand partizipieren. Dazu ist es
zunächst erforderlich, die fachlichen Aspekte be-
zogen auf das jeweilige Unterrichtsfach bzw. den
Lernbereich möglichst umfassend auszudifferen-
zieren. Beim Heimat- und Sachunterricht sind das
u. a. die naturwissenschaftliche Perspektive, die
sozialwissenschaftliche Perspektive, aber auch
historische oder naturwissenschaftliche und tech-
nische Aspekte. Neben diesen fachlichen Poten-
zialen eines Unterrichtsinhaltes gilt es nun in ei-
nem zweiten Schritt die Entwicklungsbereiche der
Schüler unter sensomotorischem, kognitivem,
sozialem, kommunikativem und emotionalem As-
pekt auf die jeweilige Thematik zu beziehen und
auch hier nach möglichen Potenzialen zu suchen.
Inhaltliche und entwicklungsbezogene Potenziale
eines Unterrichtsinhaltes können schließlich so
miteinander vernetzt werden, dass Grundlagen
für die Planung von konkreten Unterrichtsstun-
den und Unterrichtseinheiten auch in Bezug auf
den gemeinsamen Lerngegenstand abzuleiten
sind.
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Vor dem Hintergrund der empirischen For-
schung
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lässt sich festhalten, dass sich Vorteile
des jahrgangsgemischten Lernens im Vergleich
zur Jahrgangsklasse weniger im Bereich der Leis-
tungsentwicklung verzeichnen lassen (z.B. bezo-
gen auf die Lesekompetenz), sondern vielmehr
auf der Ebene der Lernmotivation und des Selbst-
konzeptes sowie der sozialen Interaktion und der
Einstellung zur Schule (vgl. auch Kap. V 1). Da-
mit bestätigen sich zumindest in diesem Bereich
die inklusiven Potenziale des jahrgangsgemisch-
ten Lernens auch empirisch.
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