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2 Die Flexible Grundschule – ein Förderort für alle Kinder
Das individualisierende Unterrichtskonzept der
Flexiblen Grundschule bietet den Lehrkräften in
hohem Maße die Möglichkeit, sich an den Lern-
voraussetzungen der Schülerinnen und Schü-
ler bei Schuleintritt und im weiteren Verlauf der
Eingangsstufe zu orientieren und eine leistbare
individuelle Unterrichtspraxis zu realisieren. Die
Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem
Förderbedarf wurde daher nicht als eigenes Kern-
element benannt und stand folglich auch nicht im
Fokus der Entwicklung bzw. der Evaluation. Damit
bei der Planung des Unterrichts der Fokus auf die
Heterogenität in Klassen, die auch von Kindern
mit sonderpädagogischem Förderbedarf besucht
werden, nicht verloren ging, wurden inklusions-
didaktische Netze eingesetzt (vgl. Kap. IV 2.3).
Sie stellen sicher, dass beim Lernen verschiedene
Lernwege und Entwicklungsbereiche angespro-
chen werden und kognitive Aspekte nicht einsei-
tig dominieren.
Kognitive, emotionale und soziale Entwick-
lung
Kinder mit besonderen Entwicklungsbedürfnis-
sen fallen durch einen überdurchschnittlich hohen
bzw. niedrigen Entwicklungsstand in einem oder
mehreren Teilbereichen wie der kognitiven Lei-
stungsfähigkeit oder der emotionalen und sozialen
Entwicklung auf. Leistungsstarke wie lernschwa-
che Kinder werden hinsichtlich ihrer kognitiven
Leistungsfähigkeit und ihrer Bedürfnisse durch das
Unterrichtskonzept der Flexiblen Grundschule un-
terstützt und gefördert: offene Aufgaben ermögli-
chen das zeitgleiche Lernen aller Schülerinnen und
Schüler am gleichen Thema und auf unterschiedli-
chen Niveaus. Eine Förderung im Bereich der emo-
tionalen und sozialen Entwicklung wird durch den
Umgang mit der Organisationsform der Altersmi-
schung erreicht: Helfer- und Patensysteme, die die
unterschiedlichen Entwicklungsstände der Schüle-
rinnen und Schüler berücksichtigen, unterstützen
und fördern die Sozialbeziehung. Die Lehrkraft hat
grundsätzlich die Möglichkeit zur individuellen Be-
gleitung durch spezielle Maßnahmen, wie sie durch
einen Förderplan initiiert werden können.
Kooperation mit Diagnose- und
Förderklassen
Im Rahmen des Modellversuchs wurde das
Konzept der Flexiblen Grundschule auch in Dia-
gnose- und Förderklassen sonderpädagogischer
Förderzentren erprobt, die räumlich im Schulge-
bäude einer bestehenden Flexiblen Grundschule
untergebracht waren.
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Dabei fand der Unterricht in den Fächern Reli-
gion, Sport und WTG grundsätzlich in klassenüber-
greifender Form statt, in anderen Fächern wurde
die Kooperation individuell geplant, wobei viele
Anknüpfungspunkte für kooperatives Arbeiten auf
unterschiedlichen Lern- und Leistungsniveaus ge-
funden wurden. Die große Heterogenität wurde
von allen beteiligten Kindern als Normalfall erlebt,
das unterschiedliche individuelle Leistungsvermö-
gen einzelner Kinder akzeptiert. Bereichernd war
für viele Kinder zudem der soziale Rollenwechsel:
Schwächere Kinder aus höheren Schulbesuchs-
jahren der sonderpädagogischen Diagnose- und
Förderklassen konnten Patenschaften für Kinder
im ersten Schulbesuchsjahr der Flexiblen Grund-
schulklassen übernehmen bzw. sie an ihrem Wis-
sensvorsprung teilhaben lassen.
2.1 Individueller Förderbedarf
Zur Feststellung eines bestimmten Förderbe-
darfs ist die Analyse der Situation des Einzelnen
nötig.
2.1.1 Von der Diagnose zur Förder
planung
Im Einzelfall wird für Kinder mit besonderen
Lernvoraussetzungen eine systematische Förder-
planung nötig. Planung und Dokumentation der
Förderung sind die Basis für Eltern- und Team-
gespräche. Die Auswahl und Formulierung von
Förderzielen
kann nach dem SMART-Prinzip er-
folgen, demzufolge Förderziele wie folgt gestaltet
sein sollen:
Spezifisch – ist die Formulierung des Ziels ein-
•
deutig?