27
II 1 Die Flexible Grundschule im Kontext der Theorie der Grundschule
alen der Kinder Rechnung, hilft ihnen, aktiv und
interessegeleitet persönlich bedeutsames Wissen
und Können aufzubauen und zu reflektieren.
Mündigkeit als Ziel
All das gibt den Schülerinnen und Schülern er-
zieherische Orientierung, wie sie in den genann-
ten Leitlinien (BayBL) und in der schulpädagogi-
schen Fachliteratur gefordert und mit
Mündigkeit
und/oder
Emanzipation
bezeichnet wird. Seit
dem Aufklärungsjahrhundert
7
gelten als Ziel und
regulative Idee aller erzieherischen Maßnahmen
und Bemühungen „der Ausgang des Menschen
aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“
und der Mut des Menschen, sich „des eigenen
Verstandes ohne Leitung eines anderen zu be-
dienen“. Selbstständigkeit, Selbstbestimmung
(statt Fremdbestimmung), Eigenverantwortlich-
keit, Selbstreflexivität und Selbstbindung an so-
ziale Werte sind Kennzeichen dieser Mündigkeit.
Ist von Emanzipation die Rede, dann sind die ge-
sellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Mün-
digkeit begünstigen oder einschränken, mitge-
meint. Für W. Klafki ist die Emanzipation das Ziel
aller Bildung, das sich in der Fähigkeit und Be-
reitschaft des Menschen zur Selbstbestimmung,
Mitbestimmung und Solidarität zeigt.
8
Aber auch
für Mündigkeit und Emanzipation gilt, dass sie
nie absolut, sondern immer nur mit Bezug auf
andere gesehen werden müssen, als „bezogene
Mündigkeit“ und in „erzieherischer Koppelung“.
9
Erziehung im Unterricht
Erziehung erfolgt zunächst im
Unterricht
(vgl.
die Redeweise vom „erziehenden Unterricht“).
Hier sind an erster Stelle erzieherisch reflektierte
didaktische Entscheidungen zu nennen. Alle Lern-
formen der Flexiblen Grundschule bieten geeignete
Anlässe: Das Lernen im Plenum durch Gesprächs-
kreise, Referate und Präsentationen, die indivi-
duellen Lernformen durch Planung und Reflexion
des eigenen Lernens im Dialog oder im Team, die
kooperativen Lernformen durch die Heterogenität
der Kinder und das Lösen von problemhaltigen
Aufgabenstellungen. Ferner veranlassen ausge-
wählte Unterrichtsinhalte (z.B. in Deutsch, HSU,
Religion, Ethik) Wertediskussionen.
Erzieherisch reflektierte Maßnahmen des Ver-
haltensmanagements sind hier noch zu erwähnen,
wie Ordnungen, Regeln, Rituale, Verantwortlich-
keiten, an deren Ausformulierung Schüler mitbe-
teiligt werden sollten, oder auch Klassenprojekte
und Klassenräte, in denen das Fehlverhalten von
Schülern thematisiert werden kann. Wichtig ist
auch die Klassen- und Unterrichtsatmosphäre,
auf die Lehrer wie Schüler Einfluss haben.
Lehrkraft als Verhaltensmodell
Ein zweiter großer Bereich ist das Handeln und
Verhalten des
Lehrers
und der
Lehrerin
. Nolens
volens ist jeder Lehrer und jede Lehrerin für die
Schülerinnen und Schüler ein Verhaltensmodell,
manchmal auch ein Vorbild. Das gilt in beson-
derer Weise für die Grundschule. Lehrer müssen
ihre Erziehungsaufgabe deshalb aktiv annehmen
und ausgestalten. Sie müssen ferner ihr eigenes
Verhalten selbstkritisch reflektieren, d. h. die Art
ihres Klassenmanagements, ihre Selbstkontrolle,
ihr Engagement für die Schüler, ihren Umgang
mit den Schülern, die Konsistenz und Konsequenz
ihrer Sanktionen bei nicht tolerierbaren Schüler-
verhaltensweisen evaluieren und ihr Auftreten
vor der Klasse analysieren, wenn nötig auch mit
Unterstützung von „kritischen Freunden“.
Bedeutung des Schullebens
Ein dritter Bereich ist das
Schulleben
, angefan-
gen bei der belebenden Gestaltung des oft nur
routiniert ablaufenden Schulmorgens bis hin zu
außerunterrichtlichen und außerschulischen Akti-
onen und Aktivitäten. Da im Schulleben Schule
und Leben aufeinander bezogen sind, können
Schülerinnen und Schüler hier ihr Verhalten an
der realen Lebenswelt erproben und erfahren,
welche Effekte sie damit erzielen. Verantwor-
tungsübernahme, Engagement, Sozialverhalten,
Anstrengungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und
vieles mehr können z.B. beim gemeinsamen Mu-
sizieren oder Theaterspiel, bei der Teilnahme an
Wettkämpfen und Forschungswerkstätten, bei
selbst gewählten Arbeitsgemeinschaften, bei Aus-
landskontakten der Schule und bei vielen ande-
ren Gelegenheiten als bedeutsam erlebt werden.