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1.3 Der Bildungsauftrag der
Grundschule
Bildung als lebenslanger Prozess
Die Grundschule vermittelt – wie erwähnt –
eine grundlegende Bildung. Bildung gilt heute als
ein lebenslanger Prozess, der im Sinne des sozia-
len Konstruktivismus ko-konstruktiv verläuft, d.h.
als individueller und zugleich sozialer Prozess mit
nachhaltigen Wirkungen für die Persönlichkeitsent-
wicklung eines jeden. So sehen es die Bayerischen
Bildungsleitlinien für den Elementar- und Primarbe-
reich. Ausgangspunkt ist das kompetente und ak-
tive Kind, das Selbst-, Sozial-, Lernmethoden- und
Sachkompetenz in der Grundschule systematisch
weiterentwickeln (können) soll. Die Bildungsleitli-
nien betonen folgerichtig das „Lernen in Interaktion,
Kooperation, Kommunikation, Partizipation und
Verständigung/Aushandlung“
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, favorisieren also
das Lernen im Dialog, die Partizipation der Kinder in
Unterricht und Schulleben und verpflichten sich ei-
ner Pädagogik der Vielfalt bei der Inklusion. Vorran-
gig richten sie den Blick auf die sprachliche Bildung.
Ihnen ist ferner wichtig, dass die unterschiedlichen
Bildungsorte (Elternhaus, Kindergarten, Hort, sozi-
ale Einrichtungen vor Ort, öffentlicher Raum usw.)
kooperieren und vernetzt sind und die Grundschule
als Bildungsangebot innerhalb der kommunalen
Bildungslandschaft verstanden wird. Das sieht die
schulpädagogische Fachliteratur ebenso.
Der Bildungsauftrag der Grundschule sieht Bil-
dung demnach als
Prozess der Persönlichkeitswer-
dung durch die Begegnung mit Menschen, Phäno-
menen, Situationen und Sachverhalten,
(d. h. mit
den „Dingen der Welt“, wie sie sich in der Natur,
in der Technik, in der Kunst, im Religiösen, in der
Gesellschaft und in der Wissenschaft) zeigen.
Inhaltlich
geht es bei der Bildung darum, dass
den Kindern dazu verholfen wird, ihre Welt zu
durchschauen, zu verstehen und zu wissen, wie
sie darin kompetent und verantwortlich handeln
können.
Systematisch
unterscheidet H. v. Hentig
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bei der
Bildung drei Bereiche: erstens persönliche Bildung
(d.h. „das, was der sich bildende Mensch aus sich
zu machen sucht“), zweitens praktische Bildung
(d.h. „das, was dem Menschen ermöglicht, in sei-
ner geschichtlichen Welt … zu überleben“) und drit-
tens politische Bildung (d.h. „das, was der Gemein-
schaft erlaubt, gesittet und friedlich, in Freiheit und
mit einem Anspruch auf Glück zu bestehen“).
Allgemeinbildungsauftrag der Grundschule
Die Grundschule als Bildungsinstitution kommt
diesem Anliegen im Rahmen ihrer Personalisati-
onsfunktion nach, bei der es um die bestmögliche
Entfaltung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der
Jungen und Mädchen geht. Die Schule erfüllt da-
bei einen
Allgemeinbildungsauftrag
, den W. Klafki
mit den Kriterien „Bildung für alle“, „Bildung in
allen Fähigkeiten und Fertigkeiten („Grunddimen-
sionen“) des Menschen“ und „Bildung durch die
Erarbeitung aktueller und zukünftiger epochalty-
pischer Schlüsselprobleme“ umschreibt.
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Dieser
Allgemeinbildungsauftrag hat nach Schulformen
und Schularten unterschiedliche Schwerpunkte
und verläuft gestuft – von der grundlegenden
Bildung der Grundschule über die fundierte, dem
praktischen Leben zugewandte Bildung der Mittel-
schule oder die theoretisch und praktisch fundierte
Bildung der Realschule bis hin zur vertieften, auf
anspruchsvollere Berufe oder auf das Studium
ausgerichteten Bildung des Gymnasiums. Jedes
einzelne Unterrichtsfach ordnet sich dem Ge-
samtbildungsauftrag der Schule mit spezifischen
Inhalten, Vorgehensweisen und Perspektiven „auf
die Welt“ ein und vervollständigt ihn durch fächer-
übergreifende und überfachliche Kompetenzen.
Bildendes Lernen
Der Weg zur Bildung geht auch in der Grund-
schule über sogenanntes
bildendes Lernen
. E.
Weber, der im bildenden Lernen den eigentlich
pädagogischen Lernbegriff sieht, meint damit ein
Lernen, das Schülerinnen und Schüler Wahlfrei-
heiten beim Lernen einräumt, ihre Selbstständig-
keit, Selbsttätigkeit und Eigenverantwortlichkeit
herausfordert, ein Lernen, das kognitiv-struk-
turierend, reflexiv, argumentativ, metakognitiv
und problemlösend vorgeht, ein Lernen, das auf
Wertklärung, Sinnorientierung und Identitätsstif-
tung ausgerichtet ist einschließlich eines positiven
Selbstbilds und Selbstwertgefühls, schließlich ein
Lernen, das ganzheitlich geschieht, auch auf die