aviso 1 | 2015
DIGITALE WELTEN
COLLOQUIUM
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lich auch auf die Internetsucht übertragen werden.
Laut diesem Diagnosekatalog – der Fachwelt als
DSM 5 bekannt – könnte eine Internet-Spielsucht
vorliegen, wenn mindestens fünf der nachfolgend
zusammengefassten neun Kriterien zutreffen:
1. Online-Spiele sind die dominierende Alltags-
aktivität.
2. Entzugssymptome wie Gereiztheit, depressive
Stimmung oder Unruhe treten auf, wenn das
Internet nicht verfügbar ist.
3. Zunehmende Toleranz der Betroffenen gegen-
über den schädlichen Konsequenzen ihres
Internetspielekonsums.
4. Versuche, Teilnahme an Online-Spielen zu
beenden, sind überwiegend erfolglos.
5. Verlust anderer Interessen.
6. Online-Spiele werden trotz des Wissens der
Betroffenen um resultierende psychosoziale Prob-
leme fortgesetzt.
7. Herunterspielen des Ausmaßes des Internet-
spielekonsums gegenüber Angehörigen und The-
rapeuten.
8. Gefährdung oder Verlust des Arbeitsplatzes, der
Karriere und/oder wichtiger sozialer Kontakte
aufgrund des Internetspielekonsums.
9. Internetspiele werden benutzt, um negative
Gefühle wie Angst oder Trauer zu lindern.
Wenn nur einzelne dieser neunMerkmale auf eine
Person zutreffen, kann ein problematischer Inter-
netgebrauch vorliegen, der noch nicht krankheits-
wertig ausgeprägt ist, sich aber imVerlauf zu einer
Internetsucht oder Internet-Spielsucht entwickeln
kann.
Petra öffnet die Tür. Es ist jedoch nicht der Pizza-
service, sondern zwei Freundinnen. Sie umarmen
Petra und fragen, ob sie nicht mit ins Kino kommen
will. »Nee, nee, danke, aber mir geht’s nicht so gut«,
antwortet Petra ausweichend. »O je, wie lange soll
denn das noch so gehen?« fragt Jessi. Petra wim-
melt die beiden ab, schließt die Tür und schleppt sich
wieder zu ihrem PC. Sie hat ein bisschen schlech-
tes Gewissen, weil sie Jessi schon so oft belogen hat.
Jessi, die jetzt Medizin studiert, hat sie nämlich
schon oft gefragt, wieviel Zeit Petra denn mit dem
Internet verbringe. Dass das fast den ganzen Tag
ist, hat Petra ihr natürlich verschwiegen.
Übermäßige Internetnutzung kann in Suchterkran-
kungenmünden, nämlich in eine Internetsucht oder
eine Internet-Spielsucht. Man zählt diese beiden
Erkrankungen zu den nicht-stoffgebundenen Süch-
ten, zu denen unter anderem auch die Kaufsucht
und die Internet-unabhängige Spielsucht gehören.
Die Patientinnen und Patienten, die an solchen
nicht-stoffgebundenen Süchten leiden, sind nicht
süchtig nach bestimmten Substanzen wie Alkohol
oder Tabletten, sondern nach bestimmten Verhal-
tensweisen. Der Impuls, diese selbstschädigenden
Verhaltensweisen zu unterdrücken, kann von den
Abhängigen nicht mehr kontrolliert werden. So
können die von der Internetsucht und der Inter-
net-Spielsucht betroffenen Patienten dem Impuls,
das Internet zu nutzen beziehungsweise Geld bei
Online-Glücksspielen zu investieren, nicht wider-
stehen, auch wenn ihnen bewusst ist, dass sie sich
dadurch selbst schaden.
Nachts um drei geht Petra dann schlafen. Um vier
wacht sie aber schon wieder auf, greift nach ihrem
Laptop und beginnt ein Online-Spiel. Sie spielt bis
um sieben Uhr früh. Es ist ein Spiel, das ihr eine
Art Ersatz-Leben bietet. In diesem virtuellen zwei-
ten Leben ist sie jemand anderes, sieht auch ganz
anders aus, gesund, schön und erfolgreich. Als sie
total erschöpft ist, schläft sie wieder ein. Sie wacht
um ein Uhr mittags auf und stopft sich als erstes
die Reste der beiden Pizzas vom Vorabend in den
Mund, während sie ihre Mailbox öffnet.
Andere Internetkonsum-assoziierte
psychische Störungen
Neben der Internetsucht und Internet-Spielsucht
kann Internetkonsum sich auch in anderer Weise
schädlich auf die Psyche auswirken. Die Mehrheit
der von einer Internetsucht oder Internet-Spielsucht
Betroffenen leidet an einer weiteren psychischen
Störung, vor allem an anderen Suchterkrankungen,
Angststörungen, einer Depression oder einemAuf-
merksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom
(ADHS). Pathologischer Internetgebrauch oder
eine Internetabhängigkeit kann andere psychische
Symptome und Krankheiten verstärken, vor allem
eine Agoraphobie (Angst das Haus zu verlassen),
eine Sozialphobie (Angst vor der Bewertung durch
andere) und allgemeine soziale Ängste. Andersher-
um können viele psychische Erkrankungen, genau
wie soziale Probleme und Stress, die Entwicklung
einer Internet(spiel)sucht fördern.
Petra rafft sich auf, ins Badezimmer zu gehen. Als
sie dort in den Spiegel blickt, fängt sie an zu weinen.
Sie sieht so schlimm aus, müde, krank und irgend-
wie etwas verwahrlost. Sie würde so gerne einmal
wieder an die frische Luft gehen oder zum Friseur,
aber sie traut sich einfach nicht aus dem Haus,
weder tagsüber noch nachts. So kann sie sich nicht
unter Menschen trauen. Dann könnte es ja wieder
links
Der Anteil der Mädchen unter den internetabhängi-
gen Jugendlichen ist höher als der der Jungen.
Foto: www.laurentinews.de