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aviso 1 | 2015
DIGITALE WELTEN
COLLOQUIUM
als Freeware zur Verfügung stehende
»OsiriX« bieten hier ein weites Spek-
trum an Möglichkeiten. So lassen sich
beliebige Schnittebenen und Helligkeits-
bzw. Kontrasteinstellungen wählen und
3D-Modelle konstruieren, welche aus
jeder gewünschten Ansicht betrach-
tet werden können. Anschließend las-
sen sich verschiedene Gewebearten wie
Knochen bzw. Weichgewebe oder Teil-
bereiche oder auch einzelne Objekte wie
Tumore segmentieren, d. h. auswählen
und separieren. Dadurch können Teil-
bereiche des Gesamtmodelles darge-
stellt werden, die für die weitere Pla-
nung von besonderem Interesse sind.
Solche Teilbereiche werden auch »Re-
gion of Interest, ROI« genannt. Hier
lässt sich beispielsweise die Entfernung
eines Kiefer- oder Gesichtstumors be-
reits am virtuellen Modell simulieren.
Durch Spiegelung der nicht erkrankten
Gesichtshälfte kann dann die ursprüng-
lich vor der Erkrankung bestehende Geo-
metrie, sprich die natürlich vorgelegene
Anatomie, am Computermodell darge-
stellt werden. Das Prinzip der Spiege-
lung der Gegenseite findet auch bei der
Wiederherstellung der Form nach Unfäl-
len oder bei Fehlbildungen Anwendung.
Vorgänge, bei denen vom Chirurgen in-
tendierte Formen des Gesichtsschädels
virtuell konstruiert werden, fallen un-
ter den Begriff des »Computer Aided
Design, CAD«. Davon ausgehend er-
geben sich für die anschließende Um-
setzung im Operationsaal unterschied-
liche Vorgehensweisen. Am Beginn der
Entwicklung stand die Erstellung von
Kunststoffmodellen (STL-Modelle), wel-
che die rekonstruierte Geometrie wieder-
geben und dem Chirurgen als OP-Vor-
bereitung zur Indikationsstellung bzw.
Auswahl eines geeigneten OP-Verfahrens
sowie während der OP als Anschauungs-
modell dienen können.
Individualisierte Implantate
Die Durchführung der Operation erfolgt
dann in konventioneller Methodik. An-
ders verhält es sich, wenn dem »Compu-
ter Aided Design, CAD« ein »Computer
AidedManufacturing, CAM« nachfolgt.
CAM bedeutet, dass Implantate oder
Schablonen als Operationshilfen mit
Hilfe von industriellen Methoden wie
Rapid Prototyping Technologien anhand der zuvor
erfolgten computer-basierten Planung und virtu-
ellen Modellerstellung (CAD) hergestellt werden.
Solche patientenspezifischen Implantate können
beispielsweise Osteosyntheseplatten aus Titan zur
Überbrückung größerer Knochendefekte imUnter-
kiefer oder auch Kunststoffeinsätze zum plastischen
Wiederaufbau der Kinn-, Nasen- oder Wangen-
region sein. Auch die knöchernen Begrenzungen
der Augenhöhle können mit maßgeschneiderten
Titangittern anatomisch präzise nachgeformt wer-
den. Darüber hinaus ist es möglich, durch CAD-
CAM-Techniken individualisierte Kiefergelenks-
endoprothesen anzufertigen.
ABER AUCH FÜR
die Transplantation von kör-
pereigenemGewebe haben sich computer-basierte
Techniken etabliert. Dies gilt insbesondere für
komplexe plastische Wiederherstellungsmaßnah-
men nach ausgedehnten Tumoroperationen des
Gesichtsschädels. Als Basis dienen vor der Opera-
tion angefertigte CT-Daten mit einer Auflösung von
ca. 0,5 mm. Die Daten werden in ein Compu-
terprogramm importiert (z. B. Pro Plan CMF,
Fa. DePuy Synthes) und zunächst so aufbereitet,
dass ein virtuelles Modell des Gesichtsschädels
resultiert. Danach kann das Ausmaß der Tumor-
resektion mit den notwendigen Sicherheitsabstän-
den festgelegt werden. Teile des Eingriffs können
nicht nur dreidimensional geplant und dann vom
Chirurgen mit seiner Erfahrung und entsprechen-
oben links
Virtuelles 3D-Modell einer Patientin
mit ausgedehntem Tumor der Kiefer- und
Gesichtsregion. Es ist die Tumorentfernung
(Resektion) und die plastische Wieder-
herstellung des Untergesichtes mit einem
Wadenbeintransplantat geplant.
oben rechts
Segmentierung des Tumors und
virtuelle Tumor-Resektion (rot).
unten links
Planung der Größe einzelner Seg-
mente (farbig hervorgehoben) eines
Wadenbeintransplantates (Fibulatransplantat)
zur Weichgewebe- und Knochenrekonstruk-
tion sowie Schablone (unten, weiß dargestellt)
zur Umschneidung und Unterteilung des
Wadenbeintransplantates.
unten rechts
Eingepasstes und in mehrere
Teile segmentiertes Wadenbeintransplantat zur
Nachformung des Unterkiefers.
Fotos: Dr. Florian Probst