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aviso 2 | 2016
FREMDE, IN DER FREMDE
RESULTATE
für die Bewohner und Bediensteten befinden sich die kunst
voll gearbeiteten Säulenbasen noch an ihrem ursprünglichen
Platz.
EIN SOLCHER PALAST
war ein multifunktionales Gebäude,
das neben repräsentativen auch administrative Aufga
ben erfüllen musste, nicht zuletzt aber als Wohnsitz eines
hohen persischen Würdenträgers diente. Ein Thronpodest
an der Rückwand des zentralen Säulensaals gibt zu erkennen,
dass der Hausherr dort vermutlich auswärtige Gesandtschaf
ten oder Vertreter der unterworfenen Bevölkerung empfing.
Um diesen Audienzsaal herum lagen die Arbeitsräume der
Verwaltungsbeamten, Archive und großzügige Speisesäle
(Abb. 6). Die privaten Wohn- und Schlafzimmer befanden
sich wohl – wie bei vergleichbaren Anlagen üblich – imOber
geschoss. Von dessen Existenz zeugen heute nur noch ein
großzügiges Treppenhaus, die mächtigen Mauern sowie die
gewaltigen Schuttmassen, die wir antrafen.
Vasallen und Bittsteller mussten zunächst eine auf dem Ideal
Tepe gelegene monumentale Toranlage, ein so genanntes Pro
pylon, durchschreiten (Abb. 7). 200Meter vom Palast entfernt
bildete sie den Zugang zu einer ummauerten Fläche von fast
20 Hektar. Dort wuchsen, wie palynologische Untersuchun
gen zeigten, vor 2500 JahrenWein und Pfirsiche – persische
Äpfel, wie die Römer sie nannten –, zwei bis dahin in dieser
Region unbekannte Kulturpflanzen, die wohl erst die per
sischen Eroberer mitbrachten. Den Palast umgab also eine
Gartenanlage. Die Perser waren imAltertum für ihre Gärten,
paradeisoi
genannt, berühmt. Unser Wort Paradies für den
biblischen Garten Eden leitet sich davon ab.
JEDER SATRAP SOLLTE
nach dem Willen des Kyros einen
paradeisos
in seiner Residenz anlegen, schreibt im frühen
4. Jahrhundert v. Chr. der Athener Feldherr und Schriftstel
ler Xenophon. Xenophon überliefert in seiner Erziehung des
Kyros [
Kyrou paideia 8, 6, 10–14
] die Anweisung des per
sischen Großkönigs an die Satrapen, seinem Vorbild in jeg
licher Art und Weise nachzueifern. Und tatsächlich zeigt der
archäologische Befund, dass die Statthalter des Perserkönigs
das höfische Zeremoniell vielfach übernahmen, etwa wenn
sie loyale Verbündete und Höflinge mit kostbaren Gefäßen
und Armreifen aus Edelmetall beschenkten. Doch weil bisher
kein einziger Palast eines Satrapen ausgegraben war, hatten
viele Zweifel, ob sich die
imitatio regis
auch auf die architek
tonische Ausgestaltung der Residenzen erstreckte. Skepsis
hinsichtlich der Historizität von Xenophons Aussage schien
berechtigt, da es sich bei der Erziehung des Kyros um eine
stark idealisierende, manchmal auch fiktive Schrift handelt.
EINE DERART KOMPLEXE
und hoch entwickelte Architek
tur wie in Karacamirli hatte es im Kaukasus vor den Persern
nie gegeben. Im Zentrum des Achaimenidenreichs, im heu
tigen Iran, finden wir jedoch ganz ähnliche Bauformen, die
auch die zeitliche Einordnung unserer Residenz ermöglichen.
Während der Grundrissplan des Hadisch, des Wohnpalastes
des Xerxes (reg. 486–465 v. Chr.) in Persepolis, offensichtlich
als Blaupause für den Palast von Karacamirli gedient hat –
selbst die Abmessungen sind nahezu identisch –, folgt die Tor
anlage an unserem Fundort in Aserbaidschan (Abb. 8) dem
Vorbild des so genannten Tripylons, das derselbe Herrscher
auf der Palastterrasse von Persepolis errichten ließ (Abb. 9).
Auch die Keramik, die wir fanden, und die charakteristische
Bauplastik belegen, dass die Residenz in der ersten Hälfte
des 5. Jahrhunderts v. Chr. an einem bis dahin unbesiedel
ten Platz errichtet worden ist. Untersuchungen im näheren
Umfeld zeigen, dass die Eroberer gleichzeitig die einheimi
sche Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern in die un
mittelbare Nachbarschaft des Palastes umsiedelten (Abb. 10).
Fotos des Artikels: Florian Knauß | Matthias Gütte