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Gruppen hinsichtlich der Leistungsentwicklung
werden auch bei Sundell (1994) sowie bei Rus-
sel, Rowe & Hill (1998) beschrieben. Diese Stu-
dien sind – auch wenn sie nicht eins zu eins auf
die deutsche Schullandschaft übertragen werden
können – interessant. Sie zeigen überzeugend
auf, dass die Einführung jahrgangsgemischter
Klassen an sich noch keine günstigen Ergebnisse
bewirkt; vielmehr muss dieser Unterricht ent-
sprechend gestaltet werden.
Die Ergebnisse aus deutschen Studien sind da-
gegen (mit Ausnahme von Knörzer 1985) deutlich
aktueller. Sie entstammen überwiegend aus den
Begleitevaluationen von Modellversuchen oder
aus einzelnen Qualifikationsarbeiten. Und im Un-
terschied zu den oben berichteten internationa-
len Ergebnissen zeigen sich tendenziell neutrale
bis günstige Effekte bezüglich der Leistungen der
Schülerinnen und Schüler
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:
So zeigten sich im brandenburgischen Modell-
versuch FLEX bei landesweiten Vergleichsarbeiten
tendenziell bessere Leistungen der jahrgangs-
gemischten Lerngruppen in Mathematik und im
Lesen. Und dies war besonders dann ersichtlich,
wenn die Schulen länger als zwei Jahre mit dieser
Unterrichtsform gearbeitet hatten. Zudem zeigt
diese Studie, dass Schülerinnen und Schüler
des unteren Leistungsdrittels im Mathematikun-
terricht besonders von der Jahrgangsmischung
profitierten.
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Diese Tendenz wurde auch für „Ri-
sikokinder“ im baden-württembergischen Modell-
projekt aufgezeigt: Diese wiesen einen größeren
Leistungszuwachs auf als Kinder mit einem ähn-
lichen Profil in jahrgangshomogenen Gruppen.
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Insgesamt deuten die Befunde in diesem Projekt
auf bessere Leseleistungen der Kinder im jahr-
gangsgemischten Unterricht, wohingegen die
Kinder in jahrgangshomogenen Gruppen leichte
Vorteile im mathematischen Bereich haben. Die
Ergebnisse aus dem nordrhein-westfälischen Pro-
jekt DÜne zeigten z. T. hingegen bessere Lese-
leistungen der Kinder im jahrgangshomogenen
Unterricht.
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Erklärungen für diese Effekte liefern Studien,
die den Blick auf den Unterricht in jahrgangsge-
mischten Klassen legen. Sie deuten darauf hin,
dass die oben genannte Argumentation korrekt
ist: Der höhere Lerngewinn lässt sich – zumin-
dest zum Teil – auf Veränderungen im Unterricht
zurückführen. So konnte z. B. anhand von Befra-
gungen der Lehrpersonen gezeigt werden, dass
im jahrgangsgemischten Unterricht häufiger indi-
vidualisierende und differenzierende Maßnahmen
eingesetzt werden.
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Festzuhalten ist jedoch auch,
dass es innerhalb der jahrgangsgemischten Klas-
sen große Unterschiede gibt. In einigen Klassen
wird lediglich durch einen „Abteilungsunterricht“
(die Kinder aus den beiden Schulbesuchsjahren
werden getrennt unterrichtet) differenziert oder
es wird nur die Menge der zu bearbeitenden Auf-
gaben variiert. Dies stellen z.B. Carle und Bertold
(2004) für die Hälfte der von ihnen beobachte-
ten Unterrichtseinheiten fest. Auf die Bildung von
jahrgangsbezogenem Abteilungsunterricht ver-
weist auch Schmidt in seiner bereits etwas älte-
ren Studie von 1999.
Da in diesem Beitrag Grundlagen für den bay-
erischen Modellversuch Flexible Grundschule dar-
gestellt werden sollen, möchte ich die Befunde
aus einer bayernweit durchgeführten, repräsen-
tativen Studie mit über 2000 Schülerinnen und
Schülern gesondert darstellen.
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Hier zeigte sich
klar, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrem
ersten Schulbesuchsjahr in jahrgangsgemischten
Klassen mit Blick auf ihren Lerngewinn profitie-
ren. Dies gilt sowohl für mathematische Fähigkei-
ten als auch bezogen auf das Lesen und Schrei-
ben. Allerdings profitieren unterschiedliche Grup-
pen unterschiedlich: Bei den mathematischen
Leistungen sind es eher die Kinder, die bereits
mit viel Vorwissen in die Grundschule kommen,
beim Lesen die Kinder, die weniger Vorkenntnisse
haben. Doch auch wenn diese Kinder im Durch-
schnitt in jahrgangsgemischten Klassen beson-
ders günstige Lernergebnisse ausweisen, so ist
das jahrgangsgemischte Lernen für die anderen
Schülerinnen und Schüler auch nicht nachteilig.
Ihre Leistungen sind am Ende des ersten Schul-
besuchsjahres durchgängig den Kindern aus den
Jahrgangsklassen zumindest ebenbürtig.
Da aus dieser Studie keine Daten zum konkre-
ten Unterricht vorliegen, kann man über mögliche
Erklärungen nur spekulieren. Plausibel scheint
jedoch die Erklärung, dass gerade in Mathema-
V 1 Lernen in jahrgangsgemischten Klassen