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Familienbesitz befindlichen ehemals fürstbischöflichen Brauerei im Tit
tinger Schloss, unweit von Eichstätt, und seine Frau Rosa auf das leer
stehende und heruntergekommene Gebäude gestoßen. 1988 erwarben
sie es – um es zu erhalten.
Was für ein mutiges Signal in einer Zeit, da Jurahäuser völlig zu
Unrecht den allerschlechtesten Ruf hatten und als »unbewohnbar«
galten. Tatsache jedoch ist: Diese frühen Öko-Bauten sind von höchs
ter baulicher und ästhetischer Qualität und »für die Ewigkeit gebaut«.
Doch statt sie zu sanieren, riss man sie vor allem ab den 1960er-Jah
ren tausendfach ab – tragisches Ende einer der grandiosesten Haus
landschaften Europas. Auch Eichstätt, die »Welthauptstadt« der Jura
häuser, blieb von den verschiedenen Abbruch-Wellen nicht verschont.
Geradezu exemplarisch zeigten da die Gutmanns die Alternative zur
Zerstörung auf. Während sie 1989 noch ohne ein Nutzungskonzept
mit den Vorarbeiten zur Rettung begannen, wurde nur einige hundert
Meter weiter eines der wichtigsten Eichstätter Jurahäuser dem Erdbo
den gleichgemacht – das spätmittelalterliche Geburtshaus des großen
Humanisten und Dürer-Freundes Willibald Pirckheimer (1470 bis 1530).
Die junge Wirtshaus-Geschichte des »ZumGutmann« ist also auch eine
Denkmal-Rettungs-Geschichte. Die anfängliche Idee, in dem bäuer
lich geprägten Haus ein Studenten-Kino zu eröffnen, mündete irgend
wann in Pläne für ein Wirtshaus mit Kultur. Der Stadel mit dem Fel
sen als Rückwand sollte zur Bühne für die Kleinkunst werden. Bei der
Umsetzung ließ man sich Zeit. Ohne Termindruck, dem schlimmsten
Feind einer sensiblen Renovierung, wurden alte Dielenbretter von
da und Steinböden von dort recycelt, alles bei völliger Beibehaltung
des originalen Raumgefüges. Erhalten werden konnte auch die inter-
essante Dachwerks-Konstruktion von etwa 1690. Und selbstredend
bekam das Haus wieder sein Legschiefer obendrauf, wie die Kalkplat
tendächer zwar falsch, aber volkstümlich heißen.
DIESE NEUGEBURT EINES
alten Hauses hat auch mit der Aufge
schlossenheit der Gutmanns für die Denkmalpflege und ihrem nicht auf
Tracht und Brauchtum reduzierten Heimatbegriff zu tun. Der damals
zuständige Gebietsreferent des Bayerischen Landesamtes für Denkmal
pflege, Dipl. Ing. Paul Unterkircher, lief bei ihnen offene Türen ein –
auch mit der Freilegung des lange verputzten Sichtfachwerks. Von sei
nem Engagement schwärmen die Bauherren noch heute. Spuren hin
terlassen hat auch der vom Bayerischen Fernsehen als »Der Wirtshaus-
Architekt« titulierte Hans Metz, ein gebürtiger Münchner, Jahrgang
1915. Zwei von Fritz Gutmanns Geschwistern hatten den Experten für
unverfälschte Gemütlichkeit und Gasthof-Kultur schon früher beschäf
tigt: Seine Schwester Antonie und ihr Mann Otto Böhm vom Kloster
bräu in Bergen bei Neuburg und der jüngere Bruder Hans Gutmann,
der in Titting ein ererbtes Jurahaus als »Bräustüberl« reaktivierte.
Architekt Hans Metz starb 1997 – dem Geburtsjahr des »Zum Gut
mann«.
Längst hat sich das Stadtbauernhaus als Gasthof etabliert, ebenfalls die
Kleinkunst. In vier Stuben – zwei im Erdgeschoss, zwei im ersten Ober
geschoss – sowie im Saal zelebriert das Wirts-Trio Fred Pfaller, Heidi
Stachel und Stephan Kaspar regionale und andere Schmankerl vom
Eichstätter Wurstsalat in Essig-Öl-Marinade (6,50
E
) bis zum Stoelzl-
Brot (Schweinefilet gebraten, auf geröstetem Schwarzbrot, 10,50
E
).
Die Biere kommen natürlich aus der eigenen, nur 15 Kilometer entfernten
Brauerei im kleinen Markt Titting an der Anlauter. Aus Kinding, wo die
aviso 2 | 2016
FREMDE, IN DER FREMDE
AVISO EINKEHR
EINKEHR
D I E S C H Ö N S T E N D E N K M A L G E -
SCHÜTZTEN WIRTSHÄUSER UND GAST-
HÖFE IN BAYERN SIND (NOCH) NICHT
SO BE K ANN T W I E V I E L E UNSER ER
SCHLÖSSER, BURGEN UND KIRCHEN.
DAS MUSS SICH ÄNDERN! IN »
aviso
EINKEHR« STELLEN WIR IHNEN DES-
HALB DIE SCHÖNSTEN KULINARISCH-
BAVARISCHENMUSENTEMPEL VOR: ALLE
RESPEK TABLE UND AUTHENT I SCHE
ZEUGNISSE UNSERER REICHEN BAU-
KULTUR UND: IN ALLEN KANN MAN HER-
VORRAGEND ESSEN, IN MANCHEN AUCH
ÜBERNACHTEN.
Wegbeschreibung
Vom Marktplatz mit dem Willibaldsbrunnen sind es
nur einige hundert Meter, am Gabrieli-Gymnasium
vorbei. Wer von der Ostenstraße kommt (Park-
plätze hinter dem ehemaligen Waisenhaus, gegen-
über der Sommerresidenz und dem Hofgarten),
folgt der langsam ansteigenden Straße »Am Gra-
ben«; rechter Hand ist der barocke Kloster-
komplex von Notre Dame mit der sehenswerten
Kuppelkirche.
Wirtshaus »Zum Gutmann«
Pächter: Fred Pfaller
Am Graben 36 | 85072 Eichstätt
Telefon: 08421 . 90 4716 www.gutmann-eichstaett.dePeter Leuschner
ist Journalist und Autor.
1984 gründete er in seinem Schloss Hofstetten
den Jurahaus-Verein.
Anlauter in die Altmühl mündet, kam übrigens
Michael Gutmann (1806 bis 1879), der Urahn der
Brauer-Dynastie Gutmann, deren Hefeweizen
legendären Ruf hat. Auf dem sehenswerten Eich
stätter Ostenfriedhof, fast in Sichtweite des »Zum
Gutmann«, liegt er begraben...
WEN ES NUN
noch dorthin drängt, wo das Gut
mann-Weizen entsteht, der wird einen Ausflug ins
landschaftlich reizvolle Anlautertal und nach Tit
ting nicht bereuen. Unter dem historischen Ge
bälk der kürzlich generalsaniertenmittelalterlichen
Wasser-Burg, die später zum Pflegschloss mutierte
und seit 1707 Brauerei ist, schlägt nach wie vor das
Herz des Familien-Unternehmens. Und gleich ge
genüber lockt das »Bräustüberl« mit Biergarten
und originaler Sommerkegelbahn.