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Die Interviews
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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15
ren in einer Kiesgrube. Wir waren eine Gruppe von Jun-
gen und mussten sehr schwer arbeiten. Aber wir strengten
uns sehr an und haben auch wirklich gut gearbeitet und
nach drei Tagen kam die Gestapo und ein Sergeant meinte:
„Guckt mal, wie schön die gearbeitet haben und was die
schon alles geschafft haben!“ Und als Belohnung durften
wir am nächsten Tag mit den christlichen Polen und den
Wehrmachtssoldaten in der Küche essen. Nichtsdestotrotz
sagte der Wehrmachtssoldat: „Aber ich werde nicht ruhig
sein, bis ich nicht Blut gesehen habe.“
Die Arbeit auf dem Flugplatz
Ich habe unterschiedliche Arbeiten verrichtet und Glück
gehabt, dass ich länger an einem versteckten Flugplatz
der Wehrmacht arbeiten konnte. Da war ich sicher. Eines
Tages sah ich am Flughafen Holzpflöcke herumliegen
und dachte mir: „Mensch, da nehm ich mir doch so ’n
Holzpflock mit zum Heizen“, das war ja immer ein gro-
ßes Problem. Deshalb machte ich mit einem Freund aus:
„Wenn das niemand sieht, dann schmeiß mir das über
den Zaun und ich nehme das dann mit.“ Aber ich wurde
leider von einem Offizier erwischt und der hat mich ver-
raten. Ich kam dann zur Gestapo und weiß nicht, warum
ich dieses Glück hatte. Dieser Gestapo-Mann sagte ledig-
lich: „Das machst du nicht mehr!“, und ließ mich gehen.
Jeder andere, das wisst ihr, wurde einfach erschossen, ohne
mit der Wimper zu zucken. Ein Engel hat mich damals
beschützt.
„Es wird sich jetzt bald alles ändern.“
Doch dann haben sie mich am Flugplatz nicht mehr
gebraucht und ich wurde nach Warschau abtransportiert.
Da gab es zwei Ghettos und zwischen den Ghettos gab es
eine umzäunte große Straße, die war nur für die Gestapo
und für die Wehrmacht, für die Deutschen zugänglich.
Die Gestapo holte dann mit mir 500 junge Männer aus
dem Ghetto. Ich hatte wieder Glück, denn ich kam an
eine Baustelle, deren Chef zwar als Antisemit verschrien
war, aber offenbar eine Kehrtwendung vollzogen hatte. Er
warnte mich mit den Worten: „Besorg dir gute Schuhe, du
musst jetzt immer gute Schuhe haben. Versuche, so viel
Essen zu haben und in deine Taschen zu tun, wie du nur
kannst. Es wird sich jetzt bald alles ändern.“
Die Flucht
Wir mussten dann an einer Bahnlinie arbeiten und beka-
men bald heraus, dass da italienische Züge durchfahren.
Wir schmiedeten die ganze Zeit Pläne, auf so einen Zug
zu kommen, doch die waren natürlich die ganze Zeit
bewacht. Dann kam ein Cousin von mir, der schon zwei
Mal aus
Treblinka
geflohen war und immer wieder einge-
fangen wurde. Ich weihte ihn in unsere Fluchtpläne ein
und schlug ihm vor, mit uns zu fliehen. Doch er antwor-
tetet nur: „Nee, ich kann nicht mehr, ich flieh jetzt nicht
mehr.“
Schließlich sahen wir eine gute Gelegenheit, auf den
Zug zu springen. Es war furchtbar, seine Angst zu überwin-
den. Um zu diesem Zug zu kommen, mussten wir näm-
lich an einem Haus vorbei, in dem die höchsten SA- und
SS-Männer lebten. Und die hatten solch große Hunde.
Doch wir schafften es tatsächlich, dorthin zu kommen,
aber natürlich schienen die ganzen Waggons verschlossen
zu sein. Ein Waggon war allerdings einen Spalt offen und
wir quetschten uns hinein. Und dann saßen wir dort im
Dunkeln und haben die ganzen Deutschen gehört, die
Schreie, die Polen. Doch wir saßen letztendlich in diesem
Zug und haben dann aufs Leben getrunken und darauf,
dass wir es geschafft hatten. Mit meinen Kameraden, mit
meinen Freunden.
Herzl Kaveh mit den Interviewerinnen
Foto: Christian Oberlander