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Die Interviews

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Einsichten und Perspektiven Themenheft 1 | 15

gemacht, ein Lehrer von unserer Schule hat uns geholfen.

Und wir haben die Fahne von Polen aufgehängt auf ver-

schiedenen Gebäuden und haben Flugblätter verteilt, wo

wir die polnische Bevölkerung zu Widerstand gegen die

Deutschen aufriefen. Und das war damals der erste Akt

von einer geheimen Organisation. Bis damals hat keine

Gruppe so etwas gemacht, nicht in Frankreich, nicht in

Deutschland. Und das hat so einen großen Effekt gehabt,

dass die Polen nicht geglaubt haben, dass wir das waren.

Die haben gesagt, dass das von Russen gekommen ist.

Aber leider, und wir wissen bis heute nicht genau warum,

hat man uns geschnappt. Und die Gestapo ist gekommen

und diese wirklich große Aktion war auch das Ende von

unserer Organisation. Die haben uns geschnappt und ich

wurde reingeführt in ein Gefängnis in Krakau, Montelu-

pich, eines von den schlimmsten Gefängnissen damals,

dort war ich eine Woche. Man hat mir verschiedene Tor-

turen angetan und ich sollte sagen, für wen ich gearbeitet

habe, wer mich geschickt hat, aber ich habe nichts gesagt,

habe nur sehr viele Schläge bekommen. War sehr schwer,

weil der Deutsche ein Boxer war. Und nach einer Woche

davon haben die mich reingeworfen in eine Zelle und das

war eine Todeszelle, aus der ist man nur tot rausgegangen.

Und dorthin sind auch zwei Leiter von meiner Bewegung

gekommen. Und ich war sehr hungrig. War so hungrig.

Wir haben 150 Gramm Brot pro Tag bekommen und ein

bisschen schwarzes Wasser. Und ich war sehr, sehr hung-

rig. Einer unserer Anführer hat gesagt, wir sollen sitzen in

einem Kreis und wir haben daran gedacht, wie es einmal

war vor dem Krieg: unsere verschiedenen Aufgaben, nach

Israel, nach Palästina gehen, und er hat uns gelernt, auch

in den schwersten Zeiten kann man ein Mensch bleiben.

Nach einem Monat in dieser Zelle mit allen möglichen

Menschen zusammen hat man uns gerufen zum Chef vom

Gefängnis und die haben uns geschickt nach Auschwitz.

Seine damalige Freundin, die er sehr liebte, wurde am 19.

März 1943 in Montelupich erschossen.

In Auschwitz war jede Stunde schwerer

Wir sind nach Auschwitz gekommen und ich war sehr

schwach. Nach einem solchen Monat im Gefängnis! Mit

150 Gramm Brot am Tag! Ich war kein großer Held!

Auschwitz war eine Fabrik des Todes.

Nach ungefähr dreiWochen in Auschwitz wurde Poldek sehr

krank. Im Spital des Lagers durfte man nur zwei Wochen blei-

ben, doch nach 13 Tagen ging es ihm noch immer nicht besser.

Ich hatte 40 Grad Fieber und dann kam ein SS-Mann

und hat auf meiner Krankenakte vermerkt, dass ich ins

Kre-

matorium

musste, um dort zu verbrennen. Und mir war so

wichtig, zu erzählen, dass da diese Gruppe war; ich glaubte,

ich wäre der letzte der ganzen Gruppe, die gekämpft hat.

Und keiner würde je wissen, dass da überhaupt Juden

waren, die gekämpft haben. Also das war mir sehr wich-

tig. Und da war im Spital ein Mann, älter als ich. Er hat

sich sehr schön der Kranken angenommen, also habe ich

geglaubt, ich kann ihm etwas erzählen. Ich hab ihn gebe-

ten, er soll mitkommen, weil ich ihm jetzt was erzählen

will. Als wir dort angekommen sind, habe ich angefangen

zu erzählen. Er war in derselben Organisation wie ich, er

war nur zehn Jahre älter wie ich und er war in Auschwitz,

weil er versucht hat zu gehen von Jugoslawien nach Paläs-

tina. Und er hat gekannt die anderen Leute. Ich war der

Jüngste in der Organisation. Aber wer die anderen waren,

hat er gewusst. Er hat auch gewusst, was soll man machen,

er war schon paar Jahre im Lager. Im Lager gab es auch

Untergrundarbeit und er war Mitglied im Untergrund,

hat er erzählt, und er hat gesagt, ich soll zu einem anderen

Platz in meinem Zimmer und hat so getan, als wären neue

Leute angekommen, so bin ich im Spital geblieben.

Poldek lernte von diesem Mann, wie man sich verhalten

musste, um zu überleben. Er erfuhr, dass es im Lager auch

eine Untergrundorganisation gab, der er beitrat.

In Auschwitz war jede Stunde schwerer. Aber ich war

in der Untergrundarbeit und dort hat man sich geholfen;

wenn ich nach etwas mehr Essen gefragt habe, bekam ich

was von meinen Freunden. In verschiedenen Plätzen waren

Kameraden und man hat sich geholfen. Hattest du noch

eine Suppe mehr heute, ein Stückchen Brot mehr, hast du

schon überlebt.

Im Gespräch

Foto: Christian Oberlander