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Fachprofile der Grundschule
EVANGELISCH
Der Religionsunterricht ist heute geprägt von einer Vielfalt an Konzeptionen und Methoden. Seiner
Aufgabe entspricht ein mehrdimensionales Lernen und Lehren. In der spannungsvollen Einheit von
Wirklichkeitserfahrung und Glaubensauslegung begegnen sich im Unterricht Lernende und Leh-
rende als Personen mit einer je eigenen Geschichte. Dass der Religionsunterricht im Vertrauen auf
Gott geschehen kann, schließt die Bejahung der menschlichen Grenzen allen Lehrens und Lernens
ebenso ein wie die Möglichkeit, immer wieder neu anzufangen. (Leitlinien für den evangelischen
Religionsunterricht in Bayern)
1.2 Beitrag des Faches zur Bildung in der Grundschule
Die religiös-weltanschauliche Perspektive stellt einen der für das Menschsein grundlegenden
Zugänge zu Welt und Wirklichkeit dar. Deshalb gehört religiöse Bildung unverzichtbar zur Allgemein-
bildung und Persönlichkeitsbildung in der Grundschule. Bereits Kinder stellen existenzielle Fragen
und machen sich ihre eigenen Gedanken über Gott und die Welt. In einer vielgestaltigen Gesell-
schaft begegnen sie Religion und religiösem Leben in einer Fülle von Formen und Ausdrucksweisen.
Diese gilt es zu deuten, zu klären und einzuordnen.
Evangelischer Religionsunterricht knüpft an Erfahrungen in Familie und Kindertagesstätte an, nimmt
den Anspruch jedes Kindes auf religiöse Bildung ernst und trägt zur ganzheitlichen Entfaltung und
Entwicklung seiner Persönlichkeit bei. Die vielfältigen Dimensionen und Ausdrucksformen von Reli-
gion und christlichem Glauben bieten den Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht beson-
ders gute Möglichkeiten, ihre individuellen Fähigkeiten und Stärken zu entfalten und von- und mitei-
nander zu lernen. Kinder mit besonderem Förderbedarf erfahren durch unterschiedliche Formen der
Auseinandersetzung, z.B. in Sprache, Bild, Musik und Bewegung, individuelle Möglichkeiten, die
eigenen Kompetenzen zu entwickeln.
Religionslehrerinnen und -lehrer begleiten die Kinder bei ihrer Suche nach persönlicher Orientierung
und geben Impulse zu einem verantwortlichen Leben in der Gemeinschaft auf der Basis christlichen
Glaubens. Dazu werden die Schülerinnen und Schüler im Lauf der Grundschulzeit in einen Prozess
des Fragens, Suchens und Entdeckens hineingeführt, in dem es vor allem um ihr Welt- und Selbst-
verständnis und um ihre Wertvorstellungen und existenziellen Fragen geht. In der Begegnung mit
anderen und deren Vorstellungen schulen sie ihre Fähigkeit zu Perspektivwechsel und Empathie. Der
sorgfältigen und fundierten Entwicklung ihrer religiösen Sprache, Fachsprache und Symbolsprache
kommt dabei hohe Bedeutung zu.
Die Frage nach Gott, seinem Wesen, seinem Wirken in der Welt und die Frage nach Jesus Christus
sind Ausgangs- und Zielpunkt vielfältiger didaktischer Überlegungen und theologischer Gespräche
mit Kindern. Dabei können sie eigene Vorstellungen entwickeln und zu biblischem Reden von Gott in
Beziehung setzen. Geschichten der Bibel nehmen in diesem Prozess einen zentralen Raum ein. In der
Auseinandersetzung mit ihnen erfahren und entdecken Kinder, dass ihnen diese Geschichten helfen,
Situationen des eigenen Lebens zu deuten. Das kann Mut machen und zum Handeln herausfordern.
Im evangelischen Religionsunterricht erhalten Kinder Raum für ihr Nachdenken zu Umbrüchen und
Grenzsituationen im Leben von Menschen. Dabei dürfen Fragen zu Leid und Tod oder zu Schuld und
Ungerechtigkeit nicht ausgeklammert werden. Kinder werden dabei aufmerksam auf den Wert tragen-
der Beziehungen und die liebende Zuwendung und Begleitung Gottes – gerade in solchen Situationen.